Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm

Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm

Titel: Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Larsson
Vom Netzwerk:
ein Embryo. Er war vollständig angezogen.
    Wieder die Stimme seiner Mutter. Energisches Klopfen an der Tür.
    »Hallo, Patrick. Aufmachen, bitte. Geht’s dir gut?«
    Nein, mir geht’s nicht gut, dachte er. Mir wird es nie wieder gut gehen.
    Seine Lippen formten den Namen. Aber kein Laut durfte über seine Lippen kommen.
    Viktor. Viktor. Viktor.
    Jetzt rüttelte sie an der Türklinke.
    »Patrick, mach jetzt auf, sonst hole ich die Polizei, und die schlägt die Tür ein.«
    Herrgott. Er kam auf die Knie. Sein Kopf dröhnte wie ein Presslufthammer. Die Hüfte, die auf dem harten Fliesenboden gelegen hatte, schmerzte.
    »Ich komme«, krächzte er. »Ich … mir war ein wenig schlecht. Warte.«
    Sie wich zurück, als er die Tür öffnete.
    »Wie siehst du denn aus?«, rief sie. »Bist du krank?«
    »Ja«, antwortete er.
    »Soll ich anrufen und sagen, dass du heute nicht kommst?«
    »Nein, ich muss jetzt los.«
    Er schaute auf die Uhr.
    Sie ging hinter ihm her ins Wohnzimmer. Auf dem Boden lagen zerbrochene Blumentöpfe. Der Teppich war in der einen Ecke gelandet. Ein Sessel war umgekippt.
    »Was ist denn hier passiert?«, fragte seine Mutter mit schwacher Stimme.
    Er drehte sich zu ihr um und packte ihre Schultern.
    »Das war ich selbst, Mama. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Jetzt geht es mir besser.«
    Sie nickte als Antwort, aber er konnte sehen, dass sie mit den Tränen kämpfte. Er wandte sich von ihr ab.
    »Ich muss zu den Pilzen«, sagte er.
    »Ich bleibe hier und mache Ordnung«, sagte seine Mutter hinter seinem Rücken und bückte sich, um ein Glas vom Boden aufzulesen.
    Patrick Mattsson wehrte sich gegen ihre hilflose Fürsorge.
    »Nein, bitte, Mama, das ist nicht nötig«, sagte er.
    »Mir zuliebe«, flüsterte sie und versuchte, seinen Blick einzufangen.
    Sie zog die Unterlippe ein, um ihre Tränen zurückzuhalten.
    »Ich weiß, dass du dich mir nicht anvertrauen willst«, sagte sie dann. »Aber wenn ich hier Ordnung schaffen darf, dann …«
    Sie schluckte. »… dann habe ich ja doch etwas für dich getan«, sagte sie dann.
    Er ließ die Hände sinken und zwang sich dazu, sie kurz zu umarmen.
    »Na gut«, sagte er. »Du bist lieb.«
    Dann floh er aus seiner Wohnung.
    Er setzte sich in seinen Golf und drehte den Zündschlüssel um. Ließ den Motor aufdröhnen, während er die Kupplung durchdrückte, alles, um seine Gedanken zu übertönen.
    Jetzt nur nicht weinen, ermahnte er sich.
    Er verdrehte den Rückspiegel und betrachtete sein Gesicht. Seine Augen waren verquollen. Seine Haare klebten in müden Strähnen an seinem Kopf. Er stieß ein kurzes, freudloses Lachen aus. Es klang eher wie ein Husten. Dann drehte er wütend den Spiegel wieder weg.
    Ich werde nie wieder an ihn denken, dachte er. Nie wieder.
    Er rutschte auf den Grusvägen hinaus und beschleunigte am Hang, der zur Lappgatan hinunterführte. Er musste fast nach der Erinnerung fahren, denn in dem Schneegestöber konnte er so gut wie nichts sehen. Der Weg war am Morgen geräumt worden, aber seitdem hatte es immer weiter geschneit, und der lockere Schnee gab unter den Reifen tückisch nach. Patrick verstärkte seinen Druck auf das Gaspedal. Hier und dort liefen die Räder im Leerlauf, und der Wagen schlidderte auf die Gegenfahrbahn hinüber. Aber das spielte keine Rolle.
    Auf der Kreuzung am Ende der Lappgatan hatte er keine Chance, der Wagen glitt ungebremst über die Straße. Aus dem Augenwinkel sah er eine Frau mit einem Stoßschlitten, auf dem ein kleines Kind lag. Die Frau bugsierte den Schlitten über den am Straßenrand aufgetürmten Schnee und hob die Hand. Vermutlich wollte sie Patrick den Finger zeigen. Als er an der Læstadianischen Kapelle vorbeikam, änderte sich der Untergrund. Der Schnee war vom Gewicht der Wagen zusammengepresst worden, aber es war weiterhin glatt, und der Golf wollte gern eigene Wege gehen. Später wusste Patrick nicht mehr, wie er über die Kreuzung Grusvägen und Hjalmar Lundbohmsvägen gelangt war. War er vor der Ampel stehen geblieben?
    Unten beim Bergwerk fuhr er am Wachhäuschen vorbei und winkte dabei kurz. Der Wächter war in seine Zeitung vertieft und blickte nicht einmal auf. Patrick hielt an der Schranke vor dem Tunnel, der ins Bergwerk hinunterführte. Er zitterte am ganzen Leib. Seine Finger wollten nicht gehorchen, als er in seiner Jackentasche nach einer Zigarette suchte. Er fühlte sich innerlich ganz leer. Das war gut so. Während der letzten fünfzig Minuten hatte er kein einziges Mal

Weitere Kostenlose Bücher