Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
fehlt ihm, und er wird lange um sie trauern.
Seine Frau fragt nicht, wen er meint. Sie dreht den Fernseher leiser und achtet nicht mehr auf den Film.
»Ich weiß, dass ich eine schlechte Stütze für sie war, als sie hier gearbeitet hat«, sagt er nun.
»Nicht doch«, meint seine Frau. »Du hast ihr die Freiheit gelassen, auf ihre eigene Weise zu arbeiten. Hast sie und Stefan in der Gemeinde halten können, und das war wirklich eine Leistung.«
Diese beiden Streithammel.
Bertil schüttelt den Kopf.
»Dann hilf ihr jetzt«, sagt seine Frau. »Sie hat doch so viel hinterlassen. Früher hätte sie sich ja selbst um alles kümmern können, aber jetzt braucht sie deine Hilfe vielleicht mehr denn je.«
»Wie das?«, lacht er. »Die meisten Frauen von Magdalena betrachten mich doch als ihren Erzfeind!«
Seine Frau lächelt ihn an.
»Du kannst doch wohl helfen und unterstützen, ohne Dank oder Liebe dafür zu bekommen. Ein bisschen Liebe kann ich dir ja geben.«
»Vielleicht sollten wir schlafen gehen«, schlägt der Probst vor.
Die Wölfin, denkt er, als er sich zum Pinkeln auf die Toilette setzt. Das hätte Mildred sich gewünscht. Dass er das Geld der Stiftung wirklich einsetzt, um die Wölfin im Winter zu beschützen.
Kaum hat er das gedacht, scheint das Badezimmer vor Strom zu vibrieren. Seine Frau liegt bereits im Bett, und jetzt ruft sie ihn.
»Gleich«, sagt er. Wagt fast nicht zu rufen. Sie ist so deutlich spürbar. Aber flüchtig.
Was willst du, fragt er, und Mildred kommt näher.
Das ist so typisch für sie. Gerade dann, wenn er mit heruntergelassener Hose auf dem Klo sitzt.
Ich bin den ganzen Tag in der Kirche, sagt er. Du hättest mich ja wohl dort aufsuchen können.
Und im selben Moment weiß er es. Das Geld der Stiftung reicht nicht. Aber wenn sie über die Pacht neu verhandeln. Entweder muss der Jagdverein den Marktwert bezahlen. Oder sie legen sich einen neuen Pächter zu. Und das Geld dafür wird der Stiftung zufließen.
Er spürt, wie sie lacht. Er weiß, was sie von ihm verlangt. Er wird alle Männer gegen sich aufwiegeln. Es wird Ärger und wütende Leserbriefe geben.
Aber sie weiß, dass er es schaffen kann. Der Gemeindevorstand ist ja auf ihrer Seite.
Ich tu’s, sagt er zu ihr. Nicht weil ich es für richtig halte, sondern deinetwegen.
Lisa Stöckel steht auf dem Hofplatz und macht ein Feuer. Die Hunde sind eingesperrt und schlafen in ihren Betten.
Verdammte Gangster, denkt sie liebevoll.
Sie hat jetzt vier Hunde. Bisher hat sie fast immer fünf gehabt.
Da ist Bruno, ein kurzhaariger hellbrauner Vorsteherrüde. Alle nennen ihn den Preußen. Das liegt an seinem beherrschten und ein wenig militärischen Stil. Wenn Lisa zu ihrem Rucksack greift und die Hunde verstehen, dass es jetzt an die frische Luft geht, dann ist in der Diele die Hölle los. Sie drehen sich wie im Karussell. Kläffen, tanzen, fiepen, beißen und jaulen vor Glück. Stoßen Lisa fast um, treten auf alles. Schauen sie aus Augen an, die sagen: Wir dürfen ganz bestimmt mitkommen, du gehst doch nicht ohne uns?
Alle, nur nicht der Preuße. Er sitzt stocksteif und scheinbar vollkommen ungerührt mitten im Zimmer. Aber wenn sie sich vorbeugt und ihn genauer ansieht, bemerkt sie das Zittern unter dem Hundefell. Ein fast unmerkliches Beben aus unterdrückter Erregung. Und wenn es dann doch zu viel für ihn wird und wenn er seine Gefühle zum Ausdruck bringen muss, um nicht zu platzen, dann kommt es vor, dass er mit den Vorderpfoten auf den Boden schlägt, zweimal. Und dann weiß sie, dass er vor Erwartung außer sich ist.
Dann hat sie natürlich Majken. Ihre alte Labradorhündin. Aber mit der ist im Moment nicht viel los. Sie ist grau um die Nase und müde. Majken hat sie alle großgezogen. Sie ist eine echte Welpenliebhaberin. Neuankömmlinge im Rudel dürfen auf ihrem Bauch schlafen, sie ist dann ihre neue Mama. Und wenn sie keinen jungen Hund betreuen kann, entwickelt sie Scheinschwangerschaften. Noch vor nur zwei Jahren konnte Lisa nach Hause kommen, und das Schlafzimmerbett war auseinander gerissen und umorganisiert. Zwischen Decken und Kissen lag dann Majken. Mit ihren Welpenatrappen: einem Tennisball, einem Schuh oder einmal, als Majken Glück gehabt hatte, einem im Wald gefundenen Stofftier.
Dann gibt es noch Karelin, eine große schwarze Kreuzung zwischen Schäferhund und Neufundländer. Er ist mit drei Jahren zu Lisa gekommen. Die Tierärztin in Kiruna hatte angerufen und gefragt, ob Lisa ihn nicht nehmen
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