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Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Titel: Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asa Larsson
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Schwester waren dabei. Sie blieben nicht lange. Sie harrten genau so lange beim Kaffee aus, wie es unumgänglich war. Trugen an ihrer Stelle Evas Schande. Die anderen Trauergäste schauten ihnen nicht in die Augen, starrten ihre Rücken an.
    »Und da stand Lars-Gunnar und tröstete sie«, wurde getuschelt. »Hätten die sich nicht um die Frau kümmern können, als sie im Sterben lag?« Stattdessen hatte Lars-Gunnar das alles übernommen. Und es war ihm anzusehen gewesen. Er hatte sicher fünfzehn Kilo abgenommen. Sah grau und verhärmt aus.
    Mimmi fragte sich, wie alles gekommen wäre, wenn Mildred damals schon da gewesen wäre. Vielleicht hätte Eva bei den Frauen von Magdalena Halt gefunden. Vielleicht hätte sie sich von Lars-Gunnar scheiden lassen, wäre aber im Dorf geblieben, hätte sich um Teddy gekümmert. Vielleicht wäre sie sogar bei ihrem Mann geblieben.
    Bei Mimmis erster Begegnung mit Mildred hatte die Pastorin hinten auf dem Moped gesessen. Es war drei Monate vor Teddys fünfzehntem Geburtstag. Niemand im Ort erwähnte, dass ein geistig behinderter Junge von vierzehn nicht allein Moped fahren durfte. Himmel, er war doch Lars-Gunnars Sohn. Und die beiden hatten es nun wirklich nicht leicht. Und solange Teddy auf der Dorfstraße blieb…
    »Oh, mein Hintern«, lacht Mildred in Mimmis Gedanken und springt vom Moped.
    Mimmi sitzt vor Mickes Lokal. Sie hat einen Stuhl hinausgetragen und sitzt geschützt vor dem Frühlingswind, raucht eine Zigarette und hält die Nase in die Sonne, um ein wenig Farbe zu bekommen. Teddy sieht zufrieden aus. Er winkt Mimmi und Mildred zu und fährt dann weg, dass der Kies nur so spritzt. Zwei Jahre zuvor ist er von Mildred konfirmiert worden.
    Mimmi und Mildred stellen sich einander vor. Mimmi ist ein wenig überrascht, sie weiß nicht, was sie erwartet hat, aber sie hat schon viel über diese Pastorin gehört. Dass sie Streit sucht. Dass sie zu offen ist. Dass sie wunderbar ist. Dass sie so gescheit ist. Dass sie nicht ganz gescheit ist.
    Und jetzt steht sie da und sieht ganz normal aus. Ja, traurig, wenn Mimmi ganz ehrlich sein soll. Mimmi hatte mit einem elektrisch geladenen Feld gerechnet, das sie umgibt, aber sie sieht nur eine Frau mittleren Alters in unmodernen Jeans und praktischen Turnschuhen.
    »Er ist ein wahrer Segen«, sagt Mildred und nickt zu dem Mopedknattern auf der Dorfstraße hinüber.
    Mimmi murmelt und seufzt etwas darüber, dass Lars-Gunnar es nicht gerade leicht gehabt hat.
    Das ist wie ein bedingter Reflex. Wenn die Stadt ihr Lied über Lars-Gunnar und seine schwache junge Gattin und den zurückgebliebenen Sohn anstimmt, dann ist der Refrain immer: »Der Arme…was manche aber auch durchmachen müssen…hat es nicht leicht gehabt.«
    Mildred runzelt heftig die Stirn. Sieht Mimmi kritisch an.
    »Teddy ist ein Geschenk«, sagt sie.
    Mimmi gibt keine Antwort. Sie lässt sich das Jedes-Kind-ist-ein-Geschenk-und-alles-hat-seinen-Sinn-Prinzip nicht so einfach andrehen.
    »Ich begreife nicht, wie man über Teddy reden kann, als wäre er eine Last. Hast du dir schon mal überlegt, dass man richtig gute Laune kriegt, wenn man mit ihm zusammen ist?«
    Das stimmt. Mimmi denkt an den Morgen des Vortags. Teddy wiegt zu viel. Er hat immer Hunger, und sein Vater muss immer wieder verhindern, dass er dauernd isst. Eine unmögliche Aufgabe. Die Frauen in der Stadt können Teddys Bettelei nicht widerstehen, und ab und zu können Micke und Mimmi das auch nicht. Wie gestern. Plötzlich stand Teddy mit einem Huhn unter dem Arm in der Küche. Lill-Anni, eine Cochinchina-Henne, legt nicht viele Eier, aber sie ist lieb und anhänglich und lässt sich gern streicheln. Aber von den anderen weggetragen werden, das will sie nicht. Jetzt zappelt sie mit ihren Hühnerbeinchen und gackert ängstlich unter Teddys großem Arm.
    »Anni!«, sagt Teddy zu Micke und Mimmi. »Brot.«
    Er dreht den Kopf nach links und macht den Hals krumm, damit er sie schräg unter seinem Schopf hinweg ansehen kann. Um wie ein Schelm auszusehen. Es ist unmöglich zu sagen, ob er weiß, dass es ihm nicht eine Sekunde lang gelingt, sie an der Nase herumzuführen.
    »Bring das Huhn raus«, sagt Mimmi und versucht, ein strenges Gesicht zu machen.
    Micke prustet los.
    »Will Anni ein Butterbrot? Ja, dann muss sie doch eins kriegen.«
    Teddy wird ein Butterbrot in die Hand gedrückt, und mit dem Huhn unter dem einen Arm marschiert er hinaus auf den Hof. Er lässt Anni laufen, und das Brot verschwindet ungeheuer

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