Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
Mauri anrufen könne.
Es war seltsam gewesen zu erleben, dass es diese Welt noch immer gab. Unruhen, Kriegsherren, Drogen, Malaria, Rotzgören mit leeren Augen. Und alles ging jetzt ohne ihn weiter.
Ich bin rechtzeitig ausgestiegen, dachte Mikael Wiik. Es gibt immer die, die kein anderes Leben führen können. Aber ich habe eine Freundin, eine richtige Frau mit einer richtigen Arbeit. Und ich selbst habe eine Wohnung und eine gute Stelle. Ich werde mit Alltag und Ruhe fertig.
Und wenn ich Kallis die Telefonnummer nicht gegeben hätte, dann hätte er sich die anderswo besorgt. Und was weiß ich, wozu er die gebraucht hat? Vermutlich hat er sie überhaupt nicht benutzt. Er hat sie doch schon Anfang Dezember bekommen. Lange, ehe Inna ermordet wurde. Und sie … es kann kein Profi gewesen sein. Das war viel zu … unordentlich.
Mauri Kallis überweist auf ein Konto in Nassau, Bahamas, fünfzigtausend Euro. Er bekommt keinen Bescheid, weder, ob das Geld angekommen ist, noch, ob der Auftrag ausgeführt wurde. Er hat gesagt, Örjan Bylunds Festplatte müsse gelöscht werden, aber ob das geschehen ist, weiß er auch nicht.
Eine Woche nachdem er das Geld bezahlt hat, findet er im Norrländska Socialdemokraten eine Notiz, dass der Journalist Örjan Bylund tot ist. Es scheint sich um eine Krankheit gehandelt zu haben.
Es war so leicht, und dann konnte es einfach weitergehen, dachte Mauri Kallis und lächelte, als seine Frau mit Gerhart Sneyers anstieß.
Mit Inna war es nicht leicht gewesen. In der vergangenen Woche hatte er sich immer wieder den Kopf über die Alternativen zerbrochen. Und immer war er zu dem Schluss gekommen, dass es keine gegeben hatte. Er hatte den notwendigen Schritt gemacht.
Es ist Donnerstag, der 13. März. In vierundzwanzig Stunden wird Inna Wattrang tot sein. Mauri ist zu Hause bei Diddi. Diddi liegt oben im Schlafzimmer im Bett.
Ulrika hatte bei Mauri und Ebba geklingelt. Sie weinte, trug keinen Mantel, nur eine Strickjacke. Das Kind hielt sie in den Armen, in eine Decke gewickelt, wie auf der Flucht.
»Du musst mit ihm reden. Ich kann ihn nicht wecken«, sagte Ulrika zu Mauri.
Mauri wollte nicht. Nach Quebec Invest und nach dem, was Diddi über den Journalisten Örjan Bylund erzählt hatte, hatten sie fast keinen Kontakt gehabt. Waren sie schon gar nicht alleine miteinander gewesen. Nein, seit sie Partners in crime sind, brauchen sie all ihr Geschick, um einander aus dem Weg zu gehen. Die gemeinsame Schuld bringt sie einander nicht näher, eher ist das Gegenteil der Fall.
Jetzt steht er in Diddis und Ulrikas Schlafzimmer und betrachtet den schlafenden Diddi. Er unternimmt keinen Versuch, ihn zu wecken. Warum sollte er? Diddi ist in Embryostellung in sich zusammengekrochen.
Mauri spürt eine zunehmende Gereiztheit, als er Diddi betrachtet.
Er schaut auf die Uhr und fragt sich, wie lange er hier stehen muss, ehe er zurückgehen kann. Wie lange würde er brauchen, wenn er ihn wecken würde? Sicher nicht sehr lange.
Und in diesem Moment, als er auf dem Absatz kehrtmachen will, klingelt das Telefon.
In dem Glauben, es sei Ulrika, die wissen will, wie es geht, greift er zum Hörer und meldet sich.
Aber es ist nicht Ulrika. Es ist Inna.
»Was machst du da?«, fragt sie.
Er hört nicht, wie anders sie klingt, das merkt er erst später. Er freut sich so, ihre Stimme zu hören.
»Hallo«, sagt er. »Wo bist du?«
»Wer bist du?«, fragt sie mit ihrer fremden Stimme.
Und jetzt hört er es. Dass sie eine andere Inna ist. Vielleicht weiß er es schon.
»Was meinst du?«, fragt er, obwohl er das nicht wissen will.
»Was ich meine!«
Sie atmet schwer, und dann kommt es.
»Vor einiger Zeit hat nur ein Journalist, Örjan Bylund, Fragen gestellt, warum sich Quebec Invest von Northern Explore zurückgezogen hat. Und über einige andere Dinge. Gleich darauf ist er gestorben.«
»Ach was?«
»Komm mir bloß nicht so! Ich dachte zuerst, es sei Diddi gewesen, aber der ist nicht clever genug. Nur geldgeil genug, um sich benutzen zu lassen, oder? Ich hab es überprüft, Mauri. Das war für mich leichter als für diesen Journalisten. Ich stecke ja im Unternehmen. Du hast aus der Gesellschaftsgruppe Geld abgezogen, hohe Beträge. Etliche Unterlagen für die Zahlungsströme sind fiktiv. Das Geld verschwindet auf einem geheimen Konto in Andorra. Und weißt du was? Ungefähr zu der Zeit, in der du angefangen hast, Geld verschwinden zu lassen, hat General Kadaga mit der Mobilmachung begonnen.
Weitere Kostenlose Bücher