Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
verantwortlichen Miliz lehnen an einer Hauswand. Sie sind nicht mit ihren Leuten weitergezogen. Sie scheinen kaum zu registrieren, dass sie angesprochen werden. Werden nicht gequält von dem ekelerregenden Gestank oder den Wolken aus fetten Fliegen über den Leichen.
Mikael Wiiks Kommandant versucht es in verschiedenen Sprachen, Englisch, Deutsch, Französisch. »Aufstehen! Wer seid ihr?« Sie bleiben an die Wand gelehnt sitzen. Schwimmende Augen. Am Ende greift einer von ihnen zu der Waffe, die neben ihm auf dem Boden liegt. Er ist vielleicht zwölf Jahre alt. Er greift nach seiner Waffe, und sie erschießen ihn auf der Stelle.
Danach erschießen sie seine beiden Kameraden. Vergraben sie. Berichten, dass bei ihrem Eintreffen alle Angehörigen der Miliz schon geflohen waren.
Ab und zu konnte es der Regen sein, der gegen das Fenster schlug. Wenn es nachts zu regnen anfing, während er schlief, das war das Schlimmste. Dann träumte er von der Regenzeit.
Es gießt wochenlang. Das Wasser strömt aus den Bergen und bringt Lehm mit sich. Die Hänge erodieren, die Wege verwandeln sich in rote Flüsse.
Mikael Wiik und seine Kollegen reißen Witze darüber, dass sie nicht wagen, die Stiefel auszuziehen, weil vielleicht die Zehen daran hängen bleiben. Jede einzelne Blase wird zu einem bösen Geschwür. Die Haut löst sich auf, wird weiß, pellt sich in langen Flocken.
GPS und Funkgeräte funktionieren nicht mehr. Die technische Ausrüstung ist nicht für diesen Regen gemacht, sie können sie nicht schützen.
Sie operieren unter französischem NATO-Befehl, sollen eine Straße sichern, sitzen an einer Brücke fest. Aber wo zum Teufel stecken die Franzosen? Sie sind nur zu zehnt und warten auf Verstärkung. Die Franzosen sollen das andere Ufer sichern, aber wer jetzt da drüben steht, wissen sie nicht. Früher an diesem Tag haben sie drei Männer in Tarnanzügen gesehen, die im Dschungel verschwunden sind.
Das unheimliche Gefühl, dass sich um sie herum Milizen zusammenziehen, macht sich breit.
Mikael Wiik zog eine Packung Zigaretten hervor und bot Sneyers’ Jungs davon an.
Damals endete es mit einem Schusswechsel. Er weiß nicht, wie viele er umgebracht hat. Erinnert sich nur an die Angst, als seine Munition zur Neige ging, an altes Gerede darüber, was diese Verrückten mit ihren Feinden machen, solche Dinge ließen ihn nachts hochfahren. Nach dem Einsatz hatten sie den Orden bekommen.
Es war ein seltsames Leben gewesen. Wenn man sich zwischen den Einsätzen in den Städten aufhielt. Mit den Kollegen in Bars herumlungerte. Man wusste, dass man zu viel trank, hatte aber noch nie mit so viel Wirklichkeit fertig werden müssen. Die kleinen schwarzen Mädchen, auch sie nur Kinder, versuchten, sich einzuschmeicheln, »Mister, Mister«. Man konnte sie für so gut wie nichts ficken. Aber zuerst wollte man in Ruhe mit den Kameraden trinken. Deshalb scheuchte man sie weg wie Hunde, sagte dem Barmann, man werde das Lokal wechseln, wenn man hier nicht seine Ruhe habe. Und dann wurden die Kleinen verjagt.
Wenn man wollte, warteten draußen auf der Straße immer welche. Obwohl es nur so goss, pressten sie sich an die Hauswände, man konnte sie einfach mit ins Hotel nehmen.
In einer dieser Bars hatte er einen ehemaligen Bundeswehroffizier getroffen. Der war um die fünfzig gewesen, hatte eine Firma für Personen- und Objektschutz besessen. Mikael Wiik hatte schon von ihm gehört.
»Wenn du es satt kriegst, durch den Schlamm zu kriechen«, hatte der Offizier zu ihm gesagt und ihm eine Visitenkarte nur mit einer Telefonnummer gegeben. Sonst nichts.
Mikael Wiik hatte gelächelt und den Kopf geschüttelt.
»Nimm sie«, hatte der Offizier ihn gedrängt. »Man weiß nichts über die Zukunft. Es geht um kurze Einzelaufträge. Sehr gut bezahlt. Und viel einfacher als das, was ihr vor zwei Wochen gemacht habt.«
Mikael Wiik hatte die Karte in die Tasche gesteckt, um der Diskussion ein Ende zu setzen.
»Aber wohl kaum von der UN sanktioniert?«, hatte er gefragt.
Der Offizier hatte höflich gelächelt, vor allem, um zu zeigen, dass er nicht beleidigt war. Er hatte Mikael in den Rücken geschlagen und war gegangen.
Drei Jahre später, als Mauri Kallis Mikael Wiik gegenüber ein Problem erwähnt hatte, das er gern ein für allemal aus der Welt geschafft haben wollte, hatte Mikael sich an den deutschen Offizier gewandt und gesagt, ein Freund brauche dessen Dienste. Der Offizier hatte ihm eine Telefonnummer genannt, die
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