Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
haben.«
Kaum hatte Rebecka nach ihrem Gespräch mit Anna-Maria Mella aufgelegt, klingelte das Telefon. Es war Maria Taube.
»Hallo«, sagte Rebecka. »Seid ihr schon in Riksgränsen?«
»Ja, meine Güte. Hörst du uns nicht? Skilaufen ist vielleicht nicht unsere Stärke, aber wir wissen, was man in einer Bar macht.«
»Ach, dann fühlt Måns sich sicher wohl.«
»Sehr wohl, möchte ich meinen. Er sitzt gleich beim Barmann, und Malin Norell hängt um seinen Hals. Also muss es ihm doch glänzend gehen.«
Eine kalte Faust schloss sich um Rebeckas Herz.
Sie gab sich alle Mühe, ihre Stimme munter klingen zu lassen. Munter und normal. Munter und leicht.
»Malin Norell«, sagte sie. »Wer ist das denn?«
»Spezialistin für Firmenrecht. Ist vor anderthalb Jahren von Winges gekommen. Sie ist ein bisschen älter als wir, siebenunddreißig, achtunddreißig oder so. Geschieden. Sechs Jahre alte Tochter. Ich glaube, sie und Måns hatten was miteinander, als sie neu war, aber ich weiß nicht … kommst du morgen?«
»Morgen? Nein, ich … ich habe im Moment so viel Arbeit, dass … und ich fühl mich auch nicht so ganz wohl … ich glaube, ich kriege eine Erkältung.«
In Gedanken fluchte sie. Zwei Lügen sind immer eine zu viel. Eine Ausflucht reicht, wenn man sich einen Ausweg freilügen muss. »Nein, wie traurig«, sagte Maria. »Ich habe solche Sehnsucht nach dir.«
Rebecka nickte. Sie musste dieses Gespräch beenden. Jetzt gleich.
»Bis dann«, presste sie heraus.
»Was ist los?«, fragte Maria und klang plötzlich besorgt. »Ist etwas passiert?«
»Nicht doch. Alles in Ordnung. Ich muss nur eben …«
Rebecka verstummte. Ihr Hals tat weh. Ein Kloß steckte darin, der den Worten den Weg versperrte.
»Wir reden ein andermal weiter«, flüsterte sie. »Ich ruf dich an.«
»Nein, warte«, bat Maria Taube. »Rebecka?«
Aber sie bekam keine Antwort. Rebecka hatte aufgelegt.
Rebecka stand vor dem Spiegel auf der Toilette. Sie sah die Narbe an, die sich von ihrer Lippe zu ihrer Nase zog.
»Was hast du denn geglaubt?«, fragte sie sich. »Was zum Teufel hast du geglaubt?«
Måns Wenngren saß in der Bar des Hotels Riksgränsen. Malin Norell saß neben ihm. Sie hatte gerade etwas gesagt, und sie hatte gelacht und ihre Hand auf seinem Oberschenkel gelegt, und dann hatte sie sie zurückgezogen. Ein kurzes Signal. Sie gehörte ihm, wenn er das wollte.
Er wünschte wirklich, dass er wollte. Malin Norell sah gut aus und war intelligent und witzig. In ihrer ersten Zeit in der Kanzlei hatte sie ihr Interesse deutlich gezeigt. Und er hatte sich einfangen, hatte sich erwählen lassen. Es war eine Weile gut gegangen. Sie hatten zusammen in Barcelona Silvester gefeiert.
Aber die ganze Zeit hatte er an Rebecka gedacht. Rebecka war aus dem Krankenhaus entlassen worden. Als sie dort gewesen war, hatte er sie angerufen, aber sie hatte nicht mit ihm sprechen wollen. Und während seiner kurzen Beziehung mit Malin Norell war ihm das nur recht gewesen. Er hatte gedacht, Rebecka sei zu kompliziert, zu deprimiert, zu verdammt anstrengend.
Aber er hatte die ganze Zeit an sie gedacht. Als er mit Malin in Barcelona Silvester gefeiert hatte, hatte er Rebecka angerufen. Hatte gewartet, bis Malin kurz das Zimmer verlassen hatte.
Malin war phantastisch. Sie hatte nicht geweint und keinen Ärger gemacht, als er ihre Beziehung beendet hatte. Er hatte ihr irgendwelche Ausreden serviert. Und sie hatte ihn in Ruhe gelassen.
Und sie war da, wenn er wollte. Ihre Hand war auf seinem Oberschenkel gelandet.
Aber morgen würde Rebecka kommen.
Die Kanzlei hatte eigentlich nach Åre fahren wollen. Aber er hatte dafür gesorgt, dass es Riksgränsen wurde.
Er dachte die ganze Zeit an Rebecka. Er konnte nicht dagegen an.
»HILF MIR«, SAGTE Diddi zum Kindermädchen.
Er saß auf dem Küchentisch und sah unschlüssig zu, wie sie die Scherben der Medizinflasche vom Boden auflas, in den Mülleimer warf und den Boden mit Küchenpapier aufwischte.
Ihm war klar, dass er in ihren Augen nur ein ziemlich alter Kerl war. Sie irrte sich gewaltig, aber wie sollte er ihr das begreiflich machen?
»Du solltest vielleicht wieder ins Bett gehen«, sagte sie.
Er schüttelte den Kopf. Schüttelte den Kopf, weil es darin jetzt Stimmen gab. Es waren keine eingebildeten Stimmen, Phantasieprodukte, es waren Erinnerungen. Erinnerungen an seine eigene Stimme, schrill und eindringlich. Atemlos und beleidigt. Und die Erinnerung an eine sanfte, aber
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