Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
nichts«, sagte Anna-Maria Mella. »Ich verstehe genau, was du meinst. Eine Mordermittlung ist wirklich etwas Besonderes. Ich will natürlich nicht, dass auch nur ein Mensch ermordet wird. Aber wenn es passiert, dann möchte ich bei der Aufklärung mitwirken.«
Rebecka Martinsson schien erleichtert zu sein.
»Davon habe ich einst geträumt, als ich mich für die Polizeischule entschieden habe«, sagte Anna-Maria Mella. »Du auch vielleicht, als du mit Jura angefangen hast?«
»Nein, ich weiß nicht. Ich bin aus Kiruna weggegangen und habe das Studium aufgenommen, weil ich mich mit den Leuten hier überworfen hatte. Dass es Jura wurde, war eher Zufall. Und ich war fleißig und tüchtig und fand sofort eine Stelle. Ich bin sozusagen in alles einfach so hineingeschlittert. Entschieden habe ich mich wohl erst, als ich hierher zurückgezogen bin.«
Sie hatten sich rasch einem ernsthaften Gesprächsthema genähert. Aber sie kannten einander zu wenig, um den Weg weiterzugehen, den sie eingeschlagen hatten. Deshalb hörten sie auf und schwiegen eine Weile.
Aber Rebecka registrierte dankbar, dass dieses Schweigen nichts Belastendes hatte.
»Also«, sagte Rebecka und lächelte ein wenig. »Worum wolltest du mich bitten?«
Anna-Maria erwiderte das Lächeln. Aus irgendeinem Grund war ihre Beziehung zu Rebecka Martinsson immer ein wenig angespannt gewesen. Das hatte ihr nicht sehr viel ausgemacht, aber ab und zu dachte sie, dass man einem anderen Menschen nicht automatisch nahestand, nur weil man ihm das Leben gerettet hatte. Jetzt aber schien diese Anspannung plötzlich davonzufliegen.
»Inna Wattrangs Chef Mauri Kallis kommt morgen her«, sagte sie.
Rebecka stieß einen Pfiff aus.
»Wirklich«, sagte Anna-Maria. »Und ich muss doch mit ihm reden, aber ich weiß nichts über seine Firma oder darüber, was Inna Wattrang da gemacht hat oder sonst was.«
»Im Internet muss doch jede Menge Stoff zu finden sein.«
»Das ist es ja gerade«, sagte Anna-Maria mit Leidensmiene.
Sie hasste es zu lesen. Schwedisch und Mathe waren in der Schule ihre schwächsten Fächer gewesen. Nur um Haaresbreite hatte sie die Noten bekommen, die für die Aufnahme an der Polizeischule verlangt wurden.
»Alles klar«, sagte Rebecka. »Du kriegst morgen eine Zusammenfassung. Wir machen das um halb acht, weil ich den Rest des Tages vor Gericht sein muss, um neun geht es los.«
»Bist du sicher?«, fragte Anna-Maria. »Das ist doch sehr viel Arbeit.«
»Aber das ist doch genau das Richtige für mich, weißt du«, sagte Rebecka. »Einen Haufen Geschwafel auf zwei A4-Seiten zu kondensieren.«
»Und dann musst du den ganzen Tag ins Gericht. Hast du denn alles vorbereitet?«
Rebecka grinste.
»Jetzt fühlst du dich ein bisschen schuldig«, sagte sie neckend.
»Zuerst soll ich dir einen Gefallen tun. Und dir dann auch noch die Absolution erteilen.«
»Vergiss es«, sagte Anna-Maria. »Lieber hab ich ein schlechtes Gewissen, als das alles selbst zu lesen. Das ist doch so ein Konzernkram und …«
»Mmm, Kallis Mining ist eine multinationale Unternehmensgruppe. Kein Konzern, eher eine Sphäre. Aber ich werde dir auch die Gesellschaftsstruktur erklären, die ist eigentlich gar nicht so kompliziert.«
»Bestimmt nicht. Du brauchst nur Gesellschaftsstruktur und Konzern und Sphäre zu sagen, und schon krieg ich Ausschlag an den Armen. Aber ich finde es wirklich großartig, dass du das machst. Und ich werde an dich denken, wenn ich meinen Hintern heute Abend vor den Fernseher pflanze. Aber jetzt mal ganz ernst, soll ich dir eine Pizza holen oder so? Denn du bleibst doch sicher hier?«
»Ich will auch nach Hause und mich auf dem Sofa vor dem Fernseher niederlassen. Das hier mach ich so nebenbei.«
»Wer bist du eigentlich? Superwoman?«
»Ja. Fahr du jetzt zum Fernseher. Hast du nicht auch jede Menge Kinder, die ihren Gutenachtkuss wollen?«
»Mmmm, die beiden Ältesten küssen ihre Mutter nicht mehr. Und das Mädel küsst nur Papa.«
»Aber der Jüngste …«
»Gustav. Der ist drei. Doch, der will seine alte Mutter küssen.«
Rebecka lächelte. Ein freundliches, warmes Lächeln mit einem Hauch von Kummer. Der verlieh ihr etwas Weiches.
Sie tut mir leid, dachte Anna-Maria, als sie bald darauf im Auto saß. Sie hat so viel durchgemacht.
Ihr schlechtes Gewissen versetzte ihr einen Stich, weil sie über ihre Kinder gesprochen hatte. Rebecka hatte doch keine.
Aber was soll ich machen, führte sie zu ihrer Verteidigung an. Die sind ein sehr
Weitere Kostenlose Bücher