Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
Gerichtsverhandlungen. Und Rebecka hatte gern alle Hände voll zu tun.
»Mauri Kallis hat mit leeren Händen angefangen«, sagte Rebecka. »Er ist Schwedens Antwort auf den amerikanischen Traum. Also: Geboren 1964 in Kiruna, wann bist du geboren?«
»Zweiundsechzig«, antwortete Anna-Maria. »Aber er muss auf einer anderen Grundschule gewesen sein. Und auf dem Gymnasium kennt man die aus den tieferen Klassen doch nicht.«
»Als kleines Kind unter Amtspflegschaft gestellt«, sagte Rebecka jetzt. »Pflegefamilie, mit zwölf Jahren Anzeige wegen Einbruchs, aber natürlich wurde keine Anklage erhoben, und dann kam die Wende, eine Betreuerin konnte ihn dazu bringen, für die Schule zu büffeln. Er ging 1984 auf die Handelshochschule in Stockholm und fing schon während des Studiums mit Aktienspekulationen an. Damals lernte er Inna Wattrang und ihren Bruder Diddi kennen. Diddi und Mauri waren derselbe Jahrgang auf der Handelshochschule. Mauri Kallis arbeitete nach dem Examen eine Zeit lang bei einem Aktienmakler, kaufte früh H&M, verkaufte Fermenta vor dem Konkurs, war der Entwicklung immer einen Schritt voraus. Dann stieg er aus der Firma aus und widmete sich seinen eigenen Geschäften. Er verlegte sich voll auf Hochrisikoprojekte, zuerst Rohstoffhandel, dann mehr und mehr An- und Verkauf von Konzessionen, in der Öl- und in der Bergwerksbranche.«
»Konzessionen?«, fragte Anna-Maria.
»Man kauft die Genehmigung, nach einem Rohstoff zu bohren, Öl, Gas, Mineralien. Dann findet man vielleicht etwas, aber statt die Fundstelle selbst auszubeuten, verkauft man seine Konzession.«
»Man kann viel verdienen, aber auch viel verlieren?«, fragte Sven-Erik.
»Ja, ja, man kann alles verlieren. Also, du musst eine Spielerpersönlichkeit sein, um das durchzustehen. Und manchmal lag er wirklich unter null. Aber schon damals haben Inna und Diddi Wattrang für ihn gearbeitet. Offenbar haben sie ihm Investoren für seine verschiedenen Projekte besorgt.«
»Es ist bestimmt nicht immer einfach, jemanden zu so einem Risiko zu überreden«, meinte Anna-Maria.
»Genau. Banken geben dafür keine Darlehen, man muss also risikobereite Investoren finden. Und das scheint eine Stärke der Geschwister Wattrang gewesen zu sein.«
Rebecka erzählte weiter.
»Aber in den letzten drei Jahren haben sie einige Konzessionen in der Firma behalten und außerdem Gruben gekauft und selber mit der Ausbeutung begonnen. Alle schwedischen Zeitungen beschreiben den Übergang von Wertpapieren in die Bergwerksbranche als den großen Sprung. Ich sehe das nicht so, ich halte es für einen größeren Sprung, von der Spekulation mit Konzessionen auf den reinen Grubenbetrieb überzuwechseln, also auf die industrielle Seite …«
»Vielleicht wollte er es ein bisschen ruhiger haben«, schlug Anna-Maria vor. »Nicht mehr so große Risiken eingehen.«
»Glaube ich nicht«, sagte Rebecka. »Er hat sich ja für den Anfang nicht gerade leichte Gegenden ausgesucht. Indonesien zum Beispiel. Oder Uganda. Vor einiger Zeit haben die Medien gegen so ungefähr alle Bergwerksgesellschaften gehetzt, die Interessen in Entwicklungsländern hatten.«
»Weil …?«
»Weil … alles Mögliche. Weil arme Länder nicht wagen, Umweltschutzgesetze zu erlassen, die ausländische Investoren vergraulen könnten, und weil deshalb das Wasser vergiftet wird und die Leute an Krebs und unheilbaren Leberschäden sterben. Weil die Gesellschaften mit korrupten Regimes zusammenarbeiten, in Ländern, wo Bürgerkrieg herrscht und wo das Militär gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt wird.«
»Und ist an diesen Vorwürfen etwas Wahres?«, fragte Sven-Erik mit dem tief verwurzelten Misstrauen des Polizisten allen Medien gegenüber.
»Sicher. Etliche Gesellschaften aus der Kallis-Gruppe sind auf den schwarzen Listen von Organisationen wie Greenpeace und Human Rights Watch gelandet. Einige Jahre lang galt Mauri Kallis als Paria, er hatte keine Interessen hier in Schweden. Kein Investor mochte das Risiko eingehen, mit ihm in einem Atemzug genannt zu werden. Aber vor ungefähr einem Jahr änderte sich dann alles. Vor einem Jahr prangte er auf der Titelseite von Business Week, der Artikel handelte von der Bergwerksbranche. Und gleich danach brachte Dagens Nyheter ein großes Interview mit ihm.«
»Wieso hat sich alles geändert?«, fragte Anna-Maria. »Haben sie sich gebessert oder was?«
»Das glaube ich nicht. Es liegt wohl einfach daran … tja, es gibt zu viele Gesellschaften mit
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