Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
riss sie aus ihren Gedanken.
»Hör mal, du kannst mir vielleicht helfen …«, begann er.
Er sorgte immer dafür, dass sie beschäftigt war. Rebecka hatte den Verdacht, dass er ihre Hilfe gar nicht so sehr brauchte, sondern eher glaubte, ihr helfe es. Und dass ein bisschen körperliche Arbeit sie vor ihren Grübeleien retten könne.
Jetzt sollte sie aufs Dach klettern, um auf einem Vorsprung Schnee zu räumen.
»Weißt du, der kann doch jederzeit herunterbrechen, und dann steht Bella vielleicht gerade darunter. Oder ich, wenn ich nicht aufpasse.«
In der abendlichen Dunkelheit kletterte sie auf Sivvings Dach. Die Lampen auf Sivvings Hofplatz waren keine große Hilfe. Es schneite. Und der alte Schnee darunter war hart und glatt. Seil um den Leib und Spaten in der Hand. Sivving hatte auch einen Spaten, aber nur, um sich darauf zu stützen. Er zeigte und rief gute Ratschläge und Befehle. Rebecka machte alles auf ihre Weise und ärgerte sich, weil seine Vorschläge doch besser waren. Alles war so zwischen ihnen, wie es sein sollte. Sie war in Schweiß gebadet, als sie wieder nach unten kletterte.
Aber es half nichts. Als sie zu Hause unter die Dusche ging, waren die Gedanken an Måns wieder da. Sie schaute auf die Uhr. Es war erst neun.
Sie brauchte mehr Arbeit für ihren Kopf. Also konnte sie sich auch gleich an den Computer setzen und weitere Informationen über Inna Wattrang einholen.
Um Viertel vor zehn wurde an Rebeckas Haustür geklopft. Von draußen war Anna-Maria Mellas Stimme zu hören.
»Hallo? Jemand zu Hause?«
Rebecka öffnete die Tür zum oberen Gang und rief:
»Hier oben!«
»Es gibt den Weihnachtsmann!«, keuchte Anna-Maria, als sie die Treppe hochstieg.
Sie trug einen Bananenkarton. Rebecka dachte an den Witz vom Morgen und lachte.
»Ich war auch ganz brav«, beteuerte sie.
Anna-Maria lachte ebenfalls. Sie kam mit Rebecka wirklich gut zurecht, jetzt, da sie zusammen am Mordfall Inna Wattrang arbeiteten.
»Das hier sind Papiere und alles Mögliche aus Örjan Bylunds Computer«, sagte Anna-Maria ein wenig später und nickte zu dem Bananenkarton hinüber.
Sie setzte sich an den Küchentisch und erzählte von dem toten Journalisten, während Rebecka Kaffee kochte.
»Er hat einem Kollegen gesagt, dass er an einer Sache über Kallis Mining arbeitete. Anderthalb Monate darauf ist er dann gestorben.«
Rebecka drehte sich um.
»Und wie?«
»Hat sich zu Hause in seinem Arbeitszimmer aufgehängt. Wobei ich mir da nicht so verdammt sicher bin. Ich habe die Erlaubnis beantragt, ihn auszugraben und zu obduzieren. Ich hoffe nur, die Erlaubnis trifft bald ein. Hier.«
Sie legte einen Memorystick auf den Tisch.
»Der Inhalt von Örjan Bylunds Computer. Die Festplatte war gelöscht, aber Fred Olsson hat das in Ordnung gebracht.«
Anna-Maria Mella sah sich um. Es war eine sehr gemütliche Küche. Schlichte Bauernmöbel, einige Teile aus den Vierziger- und Fünfzigerjahren. Eine Menge Brettchen in bestickten Behältern. Hübsch und ein wenig altmodisch. Anna-Maria musste an ihre Großmutter denken, daran, wie es bei der zu Hause ausgesehen hatte.
»Du hast es aber schön hier«, sagte sie.
Rebecka schenkte sich Kaffee ein.
»Danke. Den musst du schwarz trinken.«
Rebecka sah sich in ihrer eigenen Küche um. Sie gefiel ihr auch. Es war kein Mausoleum für die Großmutter, aber Rebecka hatte doch fast alles behalten. Als sie hierhergezogen war, hatte sie ganz deutlich gespürt, dass es ihr so am liebsten war. Sie hatte in ihrer Wohnung in Stockholm gestanden, als sie aus der Psychiatrie entlassen worden war, und sich umgesehen. Hatte ihre Ameisenstühle von Jacobsen und ihre PH-Lampen betrachtet. Das italienische Sofa von Asplund, das sie sich anlässlich ihrer Aufnahme in die Anwaltskammer geschenkt hatte. Das bin ich nicht, hatte sie gedacht. Und dann hatte sie alles zusammen mit der Wohnung verkauft.
»Es gibt eine Überweisung an Inna Wattrang, die ich gern überprüfen möchte«, sagte Rebecka zu Anna-Maria. »Jemand hat zweihunderttausend auf ihr Privatkonto eingezahlt.«
»Ja, bitte«, sagte Anna-Maria. »Morgen?«
Rebecka nickte.
Es war einfach wunderbar, fand Anna-Maria. Es gab doch alle diese Dinge, die man nicht schaffte. Vielleicht sollte sie auch Rebecka zu dem Bowlingabend einladen. Dann könnte sie mit Sven-Erik über Katzen reden.
»Eigentlich bin ich dafür zu alt«, sagte Anna-Maria mit einem Blick auf ihre Kaffeetasse. »Wenn ich jetzt abends Kaffee trinke, werde ich
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