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Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Titel: Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Larsson
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auf.
    »Rebecka«, sagte er erfreut. »Hast du schon Kaffee getrunken?«
    Sie nahm dankend an, und während er Kaffee in den Kessel gab, brachte sie ihren Wunsch vor.
    Sivving ging die Treppe hoch und kehrte nach einer Weile mit zwei Alben unter dem Arm zurück.
    »Sicher gibt es Bilder von deiner Mutter«, sagte er. »Aber die meisten sind natürlich von Maj-Lis und den Kindern.«
    Rebecka sah sich die Bilder von der Mutter an. Auf einem saßen Maj-Lis und die Mutter im Spätwinterschnee auf einem Rentierfell, sie hatten die Augen zusammengekniffen und lächelten in die Kamera.
    »Wir sehen uns ähnlich«, sagte Rebecka.
    »Ja«, gab Sivving zu.
    »Wie haben sie und Papa sich kennengelernt?«
    »Das weiß ich nicht. Aber bestimmt war es beim Tanz. Er war wirklich ein guter Tänzer, dein Vater. Wenn er sich nur getraut hat.«
    Rebecka versuchte, dieses Bild vor sich zu sehen. Mama in Papas Armen auf dem Tanzboden. Papa, mit Selbstvertrauen, das er aus einer Flasche geholt hatte, ließ die Hand über ihren Rücken wandern.
    Ein altbekanntes Gefühl erfüllte sie, als sie sich die Bilder ansah. Eine seltsame Mischung aus Schuldgefühlen und Zorn. Zorn als Gegengift gegen das herablassende Mitleid der Leute aus dem Dorf.
    Sie nannten Rebecka über ihren Kopf hinweg das »arme Mädchen«. Piika riepu. Ein Segen, dass sie immerhin die Großmutter habe, hieß es. Aber wie lange werde Theresa Martinsson noch durchhalten? Das sei doch die Frage. Fehler und Mängel hätten ja alle. Aber sich nicht um das eigene Kind kümmern zu können …
    Sivving musterte sie von der Seite.
    »Maj-Lis hatte deine Mutter sehr gern«, sagte er.
    »Wirklich?«
    Rebecka hörte, dass ihre Stimme nur noch ein Flüstern war.
    »Sie hatten immer viel zu bereden, saßen hier am Küchentisch und lachten.«
    Sicher, dachte Rebecka. Ich kann mich auch an diese Mama erinnern. Sie suchte nach einem Foto, auf dem die Mutter nicht posierte. Auf dem sie nicht ihre vorteilhaftere Seite zur Kamera drehte und lächelte.
    Der pure Filmstar, nach den Maßstäben von Kurravaara.
    Zwei Erinnerungen:
     
    Erste Erinnerung; Rebecka erwacht am Morgen in der Zweizimmerwohnung in der Stadt. Sie wohnen nicht mehr in Kurravaara. Papa haust noch immer im Erdgeschoss im Haus der Großmutter. Es ist praktischer, wenn Rebecka mit Mama in der Stadt wohnt, ist ihr gesagt worden. Näher bei der Schule und überhaupt. Sie erwacht, und alles riecht frisch geputzt. Strahlend sauber. Außerdem hat Mama die ganze Wohnung ummöbliert. Das einzige Möbelstück, das noch an seinem alten Platz steht, ist Rebeckas Bett. Auf dem Tisch steht das Frühstück. Frischgebackene Scones. Mama steht auf dem Balkon, raucht und sieht froh aus.
    Sie muss die ganze Nacht Möbel herumgeschleppt und geputzt haben. Was werden die Nachbarn denken?
    Rebecka schlüpft wie eine Katze die Treppe hinunter und hält den Blick gesenkt. Wenn Laila im Erdgeschoss die Tür öffnet, wird Rebecka vor Scham sterben.
     
    Zweite Erinnerung. Die Lehrerin sagt: Setzt euch zu zweit zusammen.
    Petra: Ich will nicht neben Rebecka sitzen.
    Lehrerin: Was ist das für eine Frechheit?
    Die Klasse spitzt die Ohren. Rebecka starrt ihre Tischplatte an.
    Petra: Die stinkt nach Pipi.
    Das liegt daran, dass sie in der Wohnung keinen Strom haben. Der ist abgesperrt worden. Es ist September, deshalb brauchen sie nicht zu frieren, aber die Waschmaschine lässt sich eben nicht benutzen.
    Als Rebecka nach Hause kommt und weint, wird Mama böse. Sie schleift Rebecka zur Post und staucht dort das Personal zusammen. Es hilft nichts, dass die Angestellten ihr klarzumachen versuchen, dass sie sich an die Stromgesellschaft wenden muss, dass sie mit der Sache nichts zu tun haben.
     
    Rebecka sah sich die Bilder von der Mutter an. Ihr ging auf, dass die Mutter damals ungefähr so alt war wie Rebecka jetzt. Sie hat sicher ihr Bestes getan, dachte sie.
    Sie betrachtete die lächelnde Frau auf dem Rentierfell und fühlte sich plötzlich versöhnlich. Etwas in ihr schien zur Ruhe zu kommen. Vielleicht war es die Erkenntnis, dass ihre Mutter gar nicht so alt war.
    Was wäre ich denn für eine Mutter geworden, wenn ich mich dafür entschieden hätte, mein Kind zur Welt zu bringen, überlegte Rebecka. Großer Gott!
    Und danach hat Mama mich in den Phasen, wenn sie nichts schaffte, bei Oma abgeladen. Auch in den Sommerferien war ich hier in Kurra.
    Und hier waren doch alle Kinder dreckig, dachte sie. Bestimmt stanken wir allesamt nach Pipi.
    Sivving

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