Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
nachts wach, und meine Gedanken …«
Sie machte mit der Hand eine wirbelnde Kreisbewegung, um zu zeigen, wie die Gedanken ihr durch den Kopf jagten.
»Geht mir auch so«, gab Rebecka zu.
Sie lachten, weil sie trotzdem Kaffee tranken, einfach, um sich einander anzunähern.
Draußen fiel weiterhin der Schnee.
Donnerstag, 20. März 2005
ES SCHNEITE DIE ganze Nacht zum Donnerstag. Aber gegen Morgen hörte es dann auf, es wurde klar und sonnig. Nur drei Grad unter null. Um Viertel nach neun Uhr morgens wurde Örjan Bylunds Sarg ausgegraben. Schon am Vorabend hatten die Friedhofsarbeiter den Schnee entfernt und ein Wärmeaggregat auf das Grab gestellt.
Anna-Maria hatte sich deshalb mit ihnen gestritten.
»Das muss der Regierungsdirektor entscheiden«, hatte es geheißen.
»Der entscheidet, ob der Leichnam ausgegraben wird, ja«, hatte Anna-Maria geantwortet. »Ich will ja auch nur, dass ihr jetzt das Wärmeaggregat aufstellt, damit ihr ihn ganz schnell rausholen könnt, wenn die Erlaubnis dazu erteilt wird.«
Jetzt hatten sie den Bodenfrost aufgelöst und gruben den Sarg mit dem kleinen Bagger des Friedhofs aus.
Ein knappes Dutzend Fotografen hatte sich eingestellt. Anna-Maria sah sie an, und schuldbewusst gingen ihre Gedanken zu Airi Bylund.
Aber ich bin ja schließlich mit einer Mordermittlung beschäftigt, dachte sie. Und die da wollen nur Schlagzeilen.
Und die bekamen sie auch. Das Loch mit den Erdklumpen, die traurigen Reste der Rosen, der schwarze Sarg. Und über allem der leuchtende Spätwinter, der Neuschnee und der Sonnenschein.
Gerichtsmediziner Lars Pohjanen und seine Obduktionstechnikerin Anna Granlund warteten im Krankenhaus, um den Leichnam in Empfang zu nehmen.
Anna-Maria Mella schaute auf die Uhr.
»Eine halbe Stunde«, sagte sie zu Sven-Erik. »Dann rufen wir an und fragen, wie weit er gekommen ist.«
In diesem Moment brummte das Mobiltelefon in ihrer Tasche. Es war Rebecka Martinsson.
»Ich habe die Überweisung auf Inna Wattrangs Konto überprüft«, sagte sie. »Und die scheint interessant zu sein. Am 15. Januar ist jemand in eine kleine Enskilda-Filiale in der Hantverkargata in Stockholm gegangen und hat zweihunderttausend Kronen eingezahlt. Auf den Überweisungsschein hat dieser Jemand geschrieben: Nicht für dein Schweigen.«
»Nicht für dein Schweigen«, wiederholte Anna-Maria. »Diese Überweisung möchte ich sehen.«
»Ich habe sie gebeten, sie einzuscannen und dir zu schicken, also, ruf deine Mails ab, wenn du ins Büro kommst«, sagte Rebecka.
»Kündige bei der Staatsanwaltschaft, und komm lieber zu uns«, rief Anna-Maria. »Geld ist nicht alles.«
Rebecka lachte am anderen Ende der Leitung.
»Ich muss los«, sagte sie. »Ich muss ins Gericht.«
»Schon wieder? Warst du nicht Montag und Dienstag schon da?«
»Mmm … das liegt an Gudrun Haapalahti im Sekretariat. Die schickt die anderen nicht mehr hin.«
»Du musst dich wehren«, sagte Anna-Maria in dem Versuch, sich nützlich zu machen.
»Lieber sterbe ich«, sagte Rebecka lachend. »Bis dann.«
Anna-Maria sah Sven-Erik an.
»Jetzt pass mal auf«, sagte sie.
Sie rief Tommy Rantakyrö an.
»Kannst du etwas für mich überprüfen?«, fragte sie, und ohne auf eine Antwort zu warten, fügte sie dann hinzu:
»Stell fest, ob irgendeine der Personen, mit denen Inna Wattrang mit ihren zwei Mobiltelefonen gesprochen hat, in der Nähe der Enskilda-Filiale in der Hantverkargata in Stockholm wohnt oder arbeitet.«
»Wie bin ich nur in diese Telefonhölle geraten«, jammerte Tommy Rantakyrö. »Wie weit zurück soll ich das überprüfen?«
»Ein halbes Jahr?«
Vom anderen Ende der Leitung her war ein Stöhnen zu hören.
»Sieh dir zuerst den November an. Die Überweisung auf ihr Konto wurde am 15. Januar getätigt.«
»Übrigens wollte ich dich gerade anrufen«, sagte Tommy Rantakyrö, ehe Anna-Maria auflegen konnte.
»Ja?«
»Irgendwer, und ich meine, das muss sie gewesen sein, hat am späten Donnerstagabend zu Hause bei Diddi Wattrang angerufen, also bei ihrem Bruder.«
»Mir hat er gesagt, dass er nicht wusste, wo sie war«, sagte Anna-Maria.
»Das Gespräch hat genau vier Minuten und dreiundzwanzig Sekunden gedauert. Ich glaube, er lügt, was glaubst du?«
MAURI KALLIS STAND oben in seinem Arbeitszimmer und schaute auf den Hofplatz hinunter.
Seine Frau Ebba ging über den weißen Kies. Die Kappe unter dem Arm und den neuen Araberhengst in festem Griff. Der Rappe glänzte vor Schweiß. Er hatte den Kopf müde
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