Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
Ecke aufs Land fährt, sie und Ecke haben diesen oder jenen Film gesehen. Mauri hat sich einen Mann aus der Oberklasse mit nach hinten gegelten blonden Haaren vorgestellt. Ab und zu hat er gedacht, dass Ecke vielleicht verheiratet ist, weil sie ihn niemals treffen und weil Inna so schweigsam ist. Aber sie ist immer schweigsam, wenn es um ihre Liebhaber geht. Mauri hat sich schon gedacht, dass diese Liebhaber vermutlich älter sind und Inna mit ihrem Bruder und Mauri keine Gemeinsamkeiten zu haben scheint, mit kleinen Jungs, die noch zur Schule gehen. Aber gleich so viel älter!
Als Diddi keine Antwort gibt, fügt Mauri hinzu:
»Das ist doch ein Greis! Was findet sie denn bloß an dem?«
Und dann sagt Diddi, leichthin, aber Mauri kann hören, wie er sich an seine Sorglosigkeit klammert, wie die ihm zu entgleiten droht, auch wenn er sich daran festhält, weil sie das Einzige ist, woran er sich festhalten kann:
»Du bist wirklich naiv.«
Sie bleiben vor dem Riche auf der Straße stehen, in dieser Weihnachtskarte. Diddi schnippt seine Zigarette in den Schnee und starrt Mauri an.
Jetzt küsst er mich, denkt Mauri und kann gar nicht schnell genug herausfinden, ob ihm das Angst macht oder nicht, da ist der Augenblick auch schon verflogen.
Ein andermal. Ebenfalls Winter. Ebenfalls Schnee. Und Inna hat einen guten Bekannten, wie sie das nennt. Aber es ist ein anderer. Mit Ecke ist schon lange Schluss. Sie wird diesen Mann zum Nobelbankett begleiten, und Diddi beschließt, dass er und Mauri mit einer Flasche Champagner in Innas Einzimmerwohnung in der Linnégata gehen müssen, um ihr beim Reißverschluss an ihrem Kleid zu helfen.
Sie sieht einfach phantastisch aus, als sie aufmacht. Mohnrotes Kleid und feuchte Lippen in derselben Farbe.
»Okay?«, fragt sie.
Aber Mauri bringt einfach keine Antwort heraus. Er lernt, was das Wort »atemlos« bedeutet. Er schwenkt die Champagnerflasche und verschwindet in der Kochnische, um seine Gefühle zu verbergen und Gläser zu holen.
Als er zurückkommt, sitzt sie an dem kleinen Tisch und trägt noch mehr Wimperntusche auf. Diddi steht hinter ihr. Er beugt sich über sie, stützt sich mit einer Hand auf die Tischplatte. Die andere Hand ist unter ihr Kleid geglitten und liebkost ihre Brüste.
Beide sehen Mauri an und warten auf seine Reaktion. Diddi hebt unmerklich eine Augenbraue, lässt seine Hand aber liegen.
Inna lächelt, als wäre das alles ein Scherz.
Mauri verzieht keine Miene. Drei Sekunden lang steht er ausdruckslos da, hat das feinmaschige Netz der Muskelfasern in seinem Gesicht total unter Kontrolle. Als die drei Sekunden verstrichen sind, hebt er leicht die Augenbraue zu einer unbeschreiblich dekadenten Miene, ein zweiter Oscar Wilde, und sagt: »Mein Junge, wenn du eine Hand frei hast, dann habe ich ein Glas für dich. Prost!«
Sie lächeln. Er gehört wirklich zu ihnen.
Und sie trinken aus ihren geerbten Champagnergläsern.
Ebba Kallis und Ulrika Wattrang trafen sich auf dem Hofplatz vor dem Herrenhaus. Ebba schaute zu Mauris Fenster hoch. Der Vorhang bewegte sich.
»Hast du etwas von Diddi gehört?«, fragte Ebba.
Ulrika Wattrang schüttelte den Kopf.
»Ich mach mir solche Sorgen«, sagte sie. »Ich kann nicht schlafen. Gestern habe ich eine Schlaftablette genommen, und das will ich doch nicht, solange ich stille.«
Echnaton zog ungeduldig an den Zügeln. Er wollte in den Stall, vom Sattel befreit und versorgt werden.
»Er meldet sich bald«, sagte Ebba mechanisch.
Eine Träne drängte sich durch Ulrikas dichte Wimpern. Sie schüttelte hoffnungslos den Kopf.
Ich hab das ja so satt, dachte Ebba. Ich habe ihre Flennerei so satt.
»Vergiss nicht, dass er eine harte Zeit durchmacht«, sagte sie mit einfühlsamer Stimme.
Wie wir alle, dachte sie wütend.
Im vergangenen halben Jahr war Ulrika mehrmals zu ihr gekommen und hatte geweint. »Er weist mich einfach ab, ist weit weg, ich weiß nicht einmal, was er genommen hat, ich dringe in ihn, ob ihm nicht einmal Philip wichtig ist, aber er …« Und sie hatte das Baby so fest an sich gedrückt, dass es aufgewacht war und untröstlich geweint hatte, und dann hatte Ebba es hin und her tragen müssen.
Echnaton stupste ihren Kopf mit dem Maul an und prustete, dass ihre Haare nur so flogen. Ulrika lachte durch ihre Tränen.
»Der scheint ja total verliebt in dich zu sein«, sagte sie.
Ja, das ist er, dachte Ebba und schielte zu Mauris Fenster hoch. Die Pferde lieben mich.
Gerade diesen Hengst hatte
Weitere Kostenlose Bücher