Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
Jahren eine andere Katze, und die ist hier hereingeschlüpft und hat auf seine Papierstapel gepisst. Und auch in seine Lammfellpantoffeln. Seither war für Katzen das Betreten verboten.«
»Vielleicht fand er das nicht mehr so wichtig …«
»Das dachte ich damals auch«, sagte Airi Bylund.
»Glaubst du, er wurde ermordet?«, fragte Anna-Maria ganz offen.
Airi Bylund schwieg eine Weile.
»Vielleicht hoffe ich das«, sagte sie dann. »Auf irgendeine seltsame Weise. Es ist so schwer zu verstehen.«
Ihre Hand hob sich und legte sich über ihren Mund.
»Aber er war kein fröhlicher Mann. Das war er nie.«
»Du hast also eine Katze«, fragte Sven-Erik, den Anna-Marias Offenheit verlegen machte.
»Sicher.« Airi Bylund lächelte ein wenig. »Sie liegt im Schlafzimmer. Komm mit, dann siehst du etwas Schönes.«
Auf der gehäkelten Tagesdecke des Doppelbettes schlief eine Katzenmutter, und vier Junge lagen über- und untereinander neben ihr.
Sven-Erik fiel auf die Knie, wie vor einem Altar. Sofort wurde die Katze wach, blieb aber liegen. Ein Junges erwachte ebenfalls und stolperte auf Sven-Erik zu. Es war grau gestreift und hatte um das eine Auge einen fast schwarzen Ring.
»Nicht wahr, der sieht witzig aus«, sagte Airi. »Als ob er eine Schlägerei hinter sich hätte.«
»Hallo, Boxer«, sagte Sven-Erik zu dem Katzenbaby.
Das spazierte furchtlos seinen Arm hoch, nahm die spitzen kleinen Krallen zu Hilfe, um das Gleichgewicht zu bewahren, und wanderte von einer Schulter über den Nacken zur anderen.
»Hallo, Kleiner«, sagte Sven-Erik hingerissen.
»Möchtest du ihn haben?«, fragte Airi Bylund. »Es ist nicht leicht, sie unterzubringen.«
»Nein, nein«, wehrte Sven-Erik ab und spürte zugleich das weiche Fell an seiner Wange.
Das Katzenjunge sprang auf das Bett und weckte eines seiner Geschwister, indem es ihm in die Schwanzwurzel biss.
»Nimm das Tier, dann fahren wir«, sagte Anna-Maria.
Sven-Erik schüttelte energisch den Kopf.
»Nein«, sagte er. »Man ist dann so gebunden.«
Sie bedankten sich für den Kaffee. Airi Bylund brachte sie zur Tür. Ehe sie gingen, fragte Anna-Maria:
»Dein Mann. Ist er eingeäschert worden?«
»Nein, er wurde in einem Sarg begraben. Aber ich habe immer gesagt, dass ich in Taalojärvi verstreut werden möchte.«
»Taalojärvi«, sagte Sven-Erik. »Was war dein Mädchenname?«
»Naka, Tieva.«
»Ach«, sagte Sven-Erik. »Vor ungefähr zwanzig Jahren bin ich mit dem Schneemobil nach Salmi hochgefahren. Ich war unterwegs nach Kattuvuoma. Und kurz vor dem Ort, am Ostufer des Sundes bei Taalojärvi, stand ein kleines Haus. Ich habe angeklopft und nach dem Weg nach Kattuvuoma gefragt, und die Frau, die da wohnte, hat gesagt, ›man fährt direkt über den See und dann über die Moore und dann links, dann ist man in Kattuvuoma.‹ Und wir haben ein bisschen geplaudert, und ich fand sie irgendwie reserviert, aber dann habe ich mich zusammengerissen und Finnisch gesprochen, und schon taute sie auf.«
Airi Bylund lachte.
»Natürlich, bestimmt hat sie dich für einen Rousku gehalten, einen Schweden.«
»Genau. Als ich mich dann auf das Schneemobil setzte und losfahren wollte, fragte sie: ›Aber wo kommst du denn her, und wer bist du, dass du Finnisch sprechen kannst?‹ Also erzählte ich, dass ich Valfrid Stålnackes Sohn aus Laukkuluspa bin. ›Voi hyvänen aika‹, sagte sie und schlug die Hände zusammen. Du liebe Zeit. ›Dann sind wir doch verwandt, Junge. Da darfst du aber nicht über den See fahren. Da steht zu viel Wasser drauf, das ist gefährlich. Fahr am Ufer entlang.«
Sven-Erik lachte.
»Sie hieß Tieva. War das deine Großmutter?«
»Was für ein Unfug«, sagte Airi Bylund und errötete. »Das war meine Mutter.«
Als sie aus dem Haus kamen, marschierte Anna-Maria los wie ein Soldat. Sven-Erik lief hinter ihr her.
»Holen wir den Computer?«, fragte er.
»Ich lass ihn ausgraben«, sagte Anna-Maria.
»Es ist doch mitten im Winter. Der Boden ist hart gefroren.«
»Das ist mir scheißegal. Ich will, dass du Örjan Bylunds Leiche raufholst. Pohjanen muss obduzieren. Wo willst du hin?«
Sven-Erik hatte auf dem Absatz kehrtgemacht und war unterwegs zurück zu Airi Bylunds Haus.
»Ich werde Airi Bylund informieren«, sagte er. »Das ist doch selbstverständlich. Fahr du schon mal. Wir sehen uns auf der Wache.«
REBECKA MARTINSSON KAM gegen sechs Uhr abends nach Hause. Der Himmel hatte sich bewölkt, und die Dämmerung setzte ein. Als sie auf dem
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