Rebella - Alpenblues & Huettenflirt
gebellte Antwort: »Keine Experimente mehr heute, das ist ein Umweg, den wir uns nicht erlauben können. Vielleicht werde ich morgen früh aufsteigen.«
Nele schmollte. Sie sah schon am ersten Tag ihren Rekord gefährdet. In ihrem sonst so fröhlichen Gesicht konnte man lesen, was sie dachte: Luschentruppe, nächstes Mal gehe ich mit echten Profis.
Prompt fühlte sich Sara noch elender. Hinter sich nahm sie das leise Summen einer Kamera wahr und bemerkte, wie Luca Neles übertrieben aufgesetzten Schmollmund einfing. Ein kleines bisschen musste sie jetzt doch wieder grinsen.
Als sie ihre erste Übernachtungshütte erreichten, waren sie am Ende ihrer Kräfte. Keiner sagte mehr einen Ton. Hunger und Erschöpfung ließen die Worte in ihren Hälsen stecken bleiben. Nele war zwar noch fit, schmollte aber mit Leo und dem Rest der Welt. Lediglich Theresa sah glücklich aus, da sie ein sonniges Plätzchen neben Toni erobert hatte, der gespielt japsend auf einer Holzbank vor der Hütte zusammengesackt war. Eigentlich sollte er sich um die Getränke kümmern, während Frau Neuhaus und Leo die Gruppe anmeldeten, aber eilig hatte er es damit nicht. Lieber beobachtete er gemeinsam mit den anderen die Kletterer, die wie bunte Ameisen an der Felswand gegenüber hingen und den direkten Weg zum Gipfel nahmen – und damit Neles Laune noch tiefer in den Abgrund trieben.
Sie hatte sich ein Fernglas erobert und entlud ihren Frust in bösartigen Bemerkungen über die Kletterkünste der »Ameisen«. »Nein, links, du Depp! – Anfänger, jetzt schau mal, da ist der Steig, nimm den, der ist bestimmt einfacher. Links, sag ich! – So ein Nullchecker, der kommt nie oben an.«
Sara spürte, wie es Nele kniff und juckte, sich den Kletterern anzuschließen. An ihr selbst nagte noch immer das Versagen. So nannte sie es zumindest. Kein anderer in der Gruppe hatte Höhenangst gehabt oder auch nur eine Sekunde gezögert, als es die schwierigen Passagen zu überwinden galt. Nicht einmal der oberunsportliche Benno, der seinen massigen Körper geradezu unverschämt leichtfüßig über die Engstelle geschoben hatte, und auch nicht Tim, der seine Turnschuhe verfluchte, oder Jenny, die, anstatt hilflos zu jammern, lieber Mut gezeigt hatte und ohne mit der Wimper zu zucken hinter Toni hergestiefelt war. Und weil sich Sara deshalb immer noch schämte, setzte sie sich abseits von den anderen vor die Hütte. Am liebsten würde sie die verschwitzten Wanderstiefel in eine Ecke kicken, den Rucksack hinterherwerfen, sich tief im Bett verkriechen und nie wieder herauskommen.
Weil das unmöglich war, beobachtete Sara nun ebenfalls die Kletterer – zumindest tat sie so als ob und bemerkte Toni erst, als er neben ihr stand. Sein Ruheplätzchen wurde schnell von Nico eingenommen, der Theresas gallige Miene ignorierte und gut gelaunt seine nackten Füße ausstreckte.
»Toll, wie du vorhin die Sache hinbekommen hast, wirklich«, sagte Toni galant. Na prima, auf den Arm nehmen konnte sich Sara selbst, aber vielleicht musste Toni auf den Blamagen anderer herumreiten, um sich selbst noch toller zu fühlen.
»Willst du mich hochnehmen? Ich hab voll versagt«, fauchte sie ihn bitter an.
»Ei Schmarrn, du warst spitze. Hat sogar der Chef vorhin gesagt. Er hat wohl schon befürchtet, dass er dich ans Seil nehmen muss, aber du hast dich richtig zusammengerissen und es allein geschafft. Wirst sehen, nächstes Mal geht es schon besser und nach den zwei Wochen lachst du dich kaputt, wenn du über einen Klettersteig gehen sollst.« Seine kitschig-blauen Augen blitzten sie aufmunternd an. Unheimlich, wie sie denen seines Vaters ähnelten.
Saras Herz begann zu rasen, als stünde sie vor der nächsten Steilhangstelle. Sie schnappte nach Luft, doch bevor sie zu einem »Danke, echt lieb von dir« oder »Och, findest du, ich hoffe, dass mir das nicht noch mal passiert« ansetzen konnte, kam Sofia barfuß angehumpelt und klammerte sich jammernd an Tonis Arm. »Ich habe ganz rote Füße. Schau mal, sind da nicht schon blutige Blasen?« Mitleidheischend hielt sie Toni die schick lackierten Zehen unter die Nase.
»Da kenn ich ein wirksames Mittel«, grinste er und hob mit einer Bewegung die aufkreischende Sofia hoch, schleppte sie ein paar Schritte weiter zu einem Brunnen mit Holztrog und stellte sie mit einem Schwung in das eiskalte Wasser des Abflusses.
»Aaaaaahhhh, ist das kalt!« Sofia war entzückt. Strahlend stand sie in der braunen Brühe, obwohl die Ränder ihrer
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