Rebella - Alpenblues & Huettenflirt
oder besser gesagt »ihn« durch, egal was andere Leute dazu sagten. Dazu – und das faszinierte Sara besonders – hatten sich Eric und Nele ohne dieses verkrampfte Umschwärmen, das Theresa bei Toni fabrizierte, gefunden. Verständlich also, dass Theresa nun ebenfalls angesäuert wirkte. Vermutlich litt sie wie Sara unter der Tatsache, dass Nele sie nicht eingeweiht hatte. Und zusätzlich musste sie erkennen, dass die beiden ganz nebenbei und ohne großes Theater ein Paar geworden waren.
Von »nebenbei« konnte bei Tonis Fanklub keine Rede sein. Schon die sorgfältige Kleiderwahl bewies den Aufwand, der betrieben wurde. Theresa trug ihre ultrakurzen Ledershorts mit einem bauch- und rückenfreien Top, einem Nichts, das man nur deshalb sah, weil sie ihre Karobluse unter der Brust geknotet hatte, während Sofia ein winziges geringeltes T-Shirt-Kleid mit Rüschenrock anhatte und ein Bolerojäckchen darüber trug. Was oben an Stoff fehlte, hatte sie unten hinzugefügt: Ihre sexy Overknee-Strümpfe saßen bolzenfest und gerieten aus irgendeinem Grund selbst bei schwierigem Gelände nicht ins Rutschen. Bei Theresa saß der alte Wanderhut, den sie am Abend zuvor dem Wirt abgeschwatzt hatte, wie angegossen. So ausgestattet, stürzten sie sich auf Toni, der mal wieder seinen Charme spielen ließ und versuchte, beiden Rivalinnen gerecht zu werden.
Wenn ihr wüsstest, wie sinnlos eure Bemühungen sind!, dachte Sara.
Ihre Kleidung wirkte gegen den Look von Theresa und Sofia inzwischen richtig gammelig. Wen bitte sollte sie auch beeindrucken? Toni? Dem mussten ja schon die Sinne schwinden, so sehr wurde er täglich bezirzt. Luca? Lieber nicht, von ihm sollte sie sich besser ein wenig fernhalten. Nein, ihre Eitelkeit musste warten, bis sie wieder zu Hause war, heute würde sie sich ausgiebig selbst beeindrucken, und zwar durch Leistung.
Als es endlich losging, schloss sich Sara Nele und Eric an. Da die beiden pausenlos Händchen hielten und deshalb ihre Geschwindigkeit drosseln mussten, hatte Sara sogar eine reelle Chance, mit ihnen Schritt zu halten.
Eine halbe Stunde später hatten sie als Dreiergruppe den Rest abgehängt. Nachdem sie die von Leo angekündigten Schneefelder durchquert hatten, wurde der Pfad immer steiler. Saras Lunge wetteiferte im Schmerz mit ihren Oberschenkeln.
Gerade wollte sie um eine Pause bitten, als Eric Nele zu einer kleinen Ausbuchtung schob, die Platz zum Ausruhen bot. »Ich will dir was schenken, Nele«, sagte er mit seiner rauen Stimme, die – täuschte sich Sara? – ein klein wenig nervös klang. Unter Neles neugierigem Blick zog er einen Gegenstand aus der Tasche. Sara hielt den Atem an, als sie erkannte, was es war. Nicht, Eric!, beschwor sie ihn still und kniff in Erwartung des Donnerwetters die Augen zusammen. Mit eiskalter Ruhe nahm Nele den kleinen Tropfstein in ihre Hand und hielt ihn anklagend zwischen ihr und Erics Gesicht. »Ich kann es nicht fassen, dass du mir so einen Stein schenkst. Du kannst sofort zurückgehen und ihn dem Wirt bringen. Wenn du danach noch lebst, kannst du gerne wiederkommen. Hast du denn gar keinen Respekt vor der Natur? Ich finde es unglaublich, dass du anscheinend gar nichts kapierst!«
»Er lag da einfach rum, ich musste nichts abbrechen. Ich habe nur zugegriffen und wollte dir eine Freude machen«, verteidigte sich Eric erschüttert.
»Nicht mal
du
kannst einen Tropfstein abbrechen, das weiß ich. Man braucht Werkzeug, um ihn zu zerstören«, höhnte Nele. »Das macht aber keinen Unterschied, ich will ihn nicht. Ich trage weder aktiv noch passiv zur Zerstörung der Erde bei. Ich kaufe schließlich auch keinen Schlüsselanhänger aus Elfenbein oder trage Schuhe aus Schlangenleder. Wenn du das nicht begreifst, dann wirst du mich nie verstehen.«
Nele drehte sich um und stürmte in mörderischem Tempo den Pfad hinauf. Sie würde die Etappe in knapp zwei Stunden schaffen, wenn keiner sie stoppte, da war sich Sara sicher. Betreten stierte sie auf die Spitzen ihrer Wanderschuhe. Würde Eric tatsächlich zurücklaufen? Er kannte Nele wirklich noch nicht sehr gut, sonst hätte er gewusst, dass er mit seinem Geschenk auf direktem Weg in Ungnade fallen würde. In puncto Naturschutz war Nele in etwa so großzügig wie eine Mathelehrerin beim Wurzelziehen.
Die Stille wurde von Neles Schritten durchbrochen, die sich schnell entfernten, und von den Geräuschen der Gruppe, die sich langsam näherte. Eric musste sich entscheiden. Er hielt den tropfenförmigen
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