Rebella - Verliebt oder was?
sie.
»Marie?«
Natürlich hat sie nicht wirklich geschlafen. Meine Mutter
ist wie alle Mütter: Sobald sie dich hören, wachen sie auf. Ob
es nun mitten in der Nacht ist oder am helllichten Tag.
»Hallo, Mam.«
»Ich hab nicht geschlafen.« Sie lässt die Zeitschrift von
ihrem Gesicht gleiten. »Na ja, vielleicht ein bisschen. Wie spät
ist es?«
Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche. »Kurz nach
halb fünf.«
»Ist Josse schon zu Hause?« Sie reckt sich.
Ich klopfe das Kissen auf dem anderen Gartenstuhl aus
und setze mich. »Ich glaube nicht. Nick und ich waren die
ganze Zeit in meinem Zimmer und ich habe nichts gehört.«
Meine Mutter reibt sich die Arme, als wäre ihr kalt. Aber
ihr ist überhaupt nicht kalt. Sie sucht nur nach den richtigen
Worten, um etwas mit mir zu besprechen.
»Weil wir gerade über Josse reden«, sagt sie. »Er erzählte
mir gestern, du hättest einen Freund?«
Ich weiß nicht, wo ich hinschauen soll. Warum hält Josse
nicht einfach seinen Mund? Muss er denn gleich alles rumposaunen,
was er über mich hört?
»Nicht wirklich«, sage ich.
»Nicht wirklich?« Sie lacht. »Ist es der Junge, der dich gestern
nach Hause gebracht hat? Warst du deshalb so spät?
Weil ihr an der Straßenecke noch ein kleines Techtelmechtel
hattet?«
»Ma-ham!«, protestiere ich laut. »Sei doch nicht so blöd.
Wer sagt denn heute noch ›Techtelmechtel‹?«
»Dann eben Zungenküssen.« Meine Mutter zuckt mit den
Schultern. »Oder Rumknutschen.
French Kissing
.«
Frééénch kissing, so spricht sie es aus.
Manchmal könnte ich ihr echt etwas antun. Warum macht
sie das bloß? Sie glaubt doch nicht ernsthaft, ich würde ihr
etwas darüber erzählen! Ich verschränke die Arme vor der
Brust und sehe sie wütend an.
»Macht doch nichts. Ich finde es schön, dass du einen
Freund hast. Wie heißt er? Er ist bei Josse im Fußballverein,
oder? Wieso bringst du ihn nicht mal mit nach Hause?«
Die spinnt wohl! Erst bekomme ich die ganze Woche Ausgehverbot,
und jetzt soll ich Raoul mitbringen, damit sie
ihre blöden Witze reißen kann, wenn er da ist? Kommt nicht
infrage!
»Ich gehe in mein Zimmer.«
»Du bist doch nicht wirklich sauer, Marie?« Meine Mutter
lacht.
Ich wende die Augen nicht von unserem Gartenzaun hinter
ihr ab.
»Entschuldige«, sagt meine Mutter. »Tut mir leid. Blöder
Witz. Ich werde es nicht mehr tun.«
»
Witze
«, sage ich. »Nicht ein Witz.«
»Nochmals Entschuldigung. Wie viele Witze habe ich
gemacht? Drei, vier?«
Ich spreize die Hände und halte sie hoch. »Mindestens
zehn«, sage ich.
»Es gibt da noch eine Sache.« Ihr Gesicht wird ernst, als sie
die Hände wringt. »Wenn er dir wehtut, stehe ich bei ihm vor
der Tür und mache Hackfleisch aus ihm.«
In meinem Zimmer stelle ich die Musik superlaut an. In
meiner Playlist habe ich lauter Ordner mit verschiedenen
Musiksorten angelegt, nach Stimmung sortiert. Ich finde es
viel praktischer, sofort die richtige Musik zu haben, wenn ich
wütend oder traurig bin oder verliebt. Insgesamt habe ich
elf Ordner, auch einen Ordner mit Musik, die mich in die
richtige Stimmung bringt, wenn ich abends weggehe. Vielleicht
sollte ich auch mal einen Ordner mit romantischen
Nummern zusammenstellen, für den Fall, dass Raoul mich
besucht. Oder Lieder, zu denen man Sex haben kann. Vielleicht
langsame R ’n’ B-Songs.
Ich lehne mich mit meinem Schreibtischstuhl gegen die
Wand.
Ehrlich gesagt will ich noch gar nicht an Sex denken.
Ich kann mir nicht vorstellen, nackt vor einem Jungen zu
stehen, nicht mal vor Raoul. Lynn meint, ein Junge brauche
einen nicht ganz nackt zu sehen. Man kann auch unter der
Bettdecke bleiben und sich darunter ausziehen. Aber Lynn
hat ›es‹ auch noch nie getan. Vielleicht fängt der Junge laut
an zu lachen, wenn man sich unter der Bettdecke auszieht.
Ich frage mich, ob Raoul schon mal mit jemandem geschlafen
hat.
Das
müsste in dieser Checkliste stehen. Ich glaube, das ist
wichtig. Einerseits fände ich es schön, wenn Raoul es auch
noch nie gemacht hat, denn dann weiß er genauso wenig wie
ich. Und er merkt auch nicht, ob ich was falsch mache, weil
er niemanden zum Vergleichen hat. Andererseits, wenn er es auch noch nie getan hat, woher weiß man dann, was man
tun soll? Ob dann nicht beide total rumstümpern?
Ich frage mich, was mir lieber wäre. Was, wenn er mit
einem Mädchen zusammen war, die total gut im Bett war?
Ich schüttele den Kopf, um den Gedanken loszuwerden.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass
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