Rebellin der Liebe
wieder sein Turmzimmer verließ. Nicht einmal die Anwesenheit ihrer impertinenten kleinen Kammerzofe und der böse dreinblickenden Fiona hatte den Wunsch in seinem Innern zu bezwingen vermocht, sie rücklings auf das zerwühlte, mit Rosen übersäte Bett zu werfen.
Griesgrämig warf er die Fenster zu. Sein Turmzimmer erschien ihm inzwischen wie das Verließ, in dem er in Calais gefangen gewesen war. Aber er hatte keine Wahl. Er musste seine eigene Freiheit begrenzen, bis Willow ihre Freiheit von ihm forderte. Er wagte einfach nicht, während der endlosen Stunden zwischen Mitternacht und Anbruch der Dämmerung durch das Labyrinth der Burg zu schleichen, solange Willow in dem bequemen Bett in ihrem Zimmer lag, ihre Haare wie eine Wolke über die Kissen drapiert und ihren süßen Jasminduft verbreitete. Die Versuchung wäre selbst für einen Mönch zu groß gewesen.
Im Gegensatz zu dem Anschein, den er vielleicht zur Zeit erweckte, war er jedoch alles andere als ein Mönch. Er hatte seine ersten sieben Kinder in dem Bett in ihrem Schlafzimmer gezeugt, Desmond im süßen Alter von neunzehn in seiner ersten Hochzeitsnacht. Es war die einzige Nacht gewesen, die ihm und Mary vergönnt gewesen war, ehe Bannor zu den Truppen nach Frankreich befehligt worden war. Zehn Monate später war er zu einer strahlenden Gemahlin zurückgekehrt, die ein sommersprossiges, engelsgleiches Baby in den Armen hielt. Gleichermaßen stolz und überrascht hatte Bannor kaum Zeit gehabt, die Finger und Zehen seines Sohnes zu zählen, ehe Mary den winzigen Kerl Fiona gegeben, ihn an der Hand genommen und die Treppe hinauf direkt in ihr Bett geführt hatte. Am nächsten Morgen schon hatte er sich, Desmond schlummernd in seiner Wiege und Ennis in Marys Gebärmutter gepflanzt, abermals verabschiedet.
Bannor ließ sich auf einen Stuhl sinken, warf eins seiner langen Beine über die Lehne und stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. Früher einmal hätte er sicher das Ende des Krieges und die Gelegenheit begrüßt, einer Frau wie Willow ein ergebener Ehemann zu sein. Aber all das hatte sich verändert, als vor fünf Jahren die Sünde des Vaters über ihn gekommen war.
Seine Entschlossenheit durch die bittersüße Erinnerung gestärkt, richtete Bannor sich wieder auf. Solange Willow auf Elsinore verweilen würde, hielte er sich von ihr fern.
Als Willow, das Gesicht der warmen Sonne zugewandt, die Haare von einer lauen Brise sanft zerzaust, über die Wiese schlenderte, verspürte sie ein Gefühl, wie sie es seit ewigen Zeiten nicht mehr gekannt hatte - leise Hoffnung wuchs in ihr.
Sie hatte nichts mit Bannors amüsierter Gleichgültigkeit gegenüber ihrer wunderschönen Stiefschwester zu tun, sagte sie sich streng. Es lag einfach an diesem herrlich milden Tag, der sich mitten im Herbst lieber der Freuden des Sommers erinnerte, als dass er sich der eisigen Umarmung des bevorstehenden Winters ergab. Ihre Schritte wurden immer länger, und ehe sie sich’s versah, hatte sie ihre Röcke gerafft und rannte wie ein übermütiges Kind durch das raschelnde Gras. Auf Bedlington hatte sie immer nur laufen dürfen, um eins der Kinder einzufangen oder ihrer Stiefmutter einen Gefallen zu tun. Ob der reinen, süßen Freude über die pure Bewegung jubilierte ihr Herz.
Bis sie über einen Hügel kam und zehn stirnrunzelnde Gesichter zu ihr herumfuhren und sie daran erinnerten, dass ihre Freiheit eine Illusion gewesen war.
Willow kam stolpernd zum Stehen. Bannors Kinder hatten sich in einer kleinen Mulde verteilt - einige saßen mit gekreuzten Beinen da, andere lagen, das Kinn in die Hände gestützt, gemütlich auf dem Bauch. In ihrer Mitte stand ein Weidenkorb, aus dem sich ein Regen von Pasteten, Walnüssen, Datteln und Äpfeln über den herbstlichen Blätterteppich ergoss. Die Kinder schienen trotz der Vernachlässigung durch ihre neue Stiefmutter bestens versorgt zu sein. Sie wirkten plump und wohlgenährt, und sie bezweifelte, dass der Schmutz in ihren rosigen Hautfalten mit einem einzigen, gleich wie kräftigen, Schrubben zu entfernen war.
»Was haben wir denn hier?«, rief sie mit falscher Fröhlichkeit. »Sieht verdächtig nach einem Trupp Kobolde aus.«
Trotz ihres Scherzes hellten sich weder die Mienen der Kinder auf, noch brachen sie ihr eisernes Stillschweigen. Sie musterten sie weiter, als wäre sie ein kleiner grüner Wurm, der aus einem der Äpfel gekrochen war. Das regloseste Gesicht gehörte dem sommersprossigen Jungen, der sich mit dem Rücken
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