Rebellin der Liebe
duckte sich, während Willow die Hand ausstreckte und dem Kind vorsichtig die Waffe aus den Händen nahm. »Regel Nummer eins, meine kleine Fee. Du darfst dein Ziel niemals aus den Augen lassen.«
»Himmel«, murmelte Beatrix in dieser Sekunde und zupfte sich ein Herbstblatt aus dem Haar. »Wenn das da nicht Lord Bannor ist...«
»Wo?« Willow vergaß den Bogen, den sie in den Händen hielt, und wirbelte herum.
Erst dachte sie, ihre Stiefschwester hätte sich abermals einen Scherz mit ihr erlaubt, aber dann entdeckte sie den eleganten Hünen, der zusammen mit Sir Hollis über den Turnierplatz schlenderte. Er überragte alle Männer auf dem Platz, und als er seinen Kopf ein wenig neigte, schimmerten seine Haare in der Sonne rabenschwarz. Keil und Edward folgten ihm auf Schritt und Tritt und unterhielten sich ebenso ernst wie die beiden Erwachsenen. Als Bannor unvermittelt stehen blieb, um sich die Rüstung eines seiner Ritter anzusehen, krachte Edward von hinten gegen seine Beine, was ihm ein verzweifeltes Kopfschütteln eintrug.
Willow dachte, dass Bannor zu beschäftigt war, um sie zu sehen, hätte er ihr nicht auf einmal freundlich lächelnd zugenickt.
In diesem Augenblick erklang das leise Ping. Der Pfeil zischte vom Bogen, segelte über die Wiese und senkte sich in hohem Bogen über dem Turnierplatz ab.
Starr vor Entsetzen stand sie da, als Mary Margaret sie am Ärmel ihres Umhangs zog. »Oh, Willow, jetzt hast du meinen Papa erschossen. Meinst du, dass er jetzt wie meine Mama in den Himmel kommt?«
20
Das Letzte, was Willow erwartet hätte, war, dass Bannor den Pfeil ungerührt aus seiner Schulter zog, ihn mit einem verwunderten Blick musterte und dann achtlos über seine Schulter warf. Sicher, dachte sie, wäre es nur eine Frage von Sekunden, ehe er mit dem Gesicht nach unten in eine Lache seines eigenen Blutes fiel.
Sie riss sich aus ihrer Erstarrung, raffte ihre Röcke und stürmte los. Mit einem wenig eleganten Satz überwand sie eine herabhängende Latte des Zaunes, der die Wiese vom Turnierplatz trennte, ehe sie geradewegs in seine Arme hechtete.
Mit sich überschlagender Stimme haspelte sie: »Oh, Bannor, könnt Ihr mir das je verzeihen? Ich hatte vollkommen vergessen, dass ich den Bogen in den Händen hielt, und dann sah ich Euch, und Ihr habt mich angelächelt, und dabei hatte ich gerade erst Mary Margaret dafür getadelt, dass sie den Blick vom Ziel abgewendet hatte und, oh, ich hatte nie die Absicht, Euch zu treffen, das schwöre ich.«
Er umfasste ihren Ellbogen, damit sie nicht vornüberfiel. »Das war Euer Pfeil? Ich dachte, einer der Pagen hätte mal wieder sein Ziel verfehlt.«
Sie zupfte ihn am Arm. »Beeilt Euch, Mylord! Ihr müsst Euch irgendwo hinlegen, ehe Ihr zusammenbrecht!«
»Aber ich fühle mich hervorragend«, protestierte er.
»Das kann unmöglich sein! Der Schmerz und der Blutverlust haben einfach Euer Urteilsvermögen beeinträchtigt.«
Willow schlang ihm die Arme um den Hals und versuchte, ihn neben sich herabzuziehen. Allmählich trug ihnen ihr Ringen die Neugier von Bannors Männern ein.
»Also gut! Also gut!«, rief er schließlich und sank auf das mit Sand bestreute Gras. »Es besteht keine Notwendigkeit, mich zu erwürgen. Ich setze mich freiwillig hin.«
Während sich eine Gruppe Schaulustiger um sie beide versammelte, bettete Willow seinen Kopf in ihrem Schoß und strich ihm zärtlich die Haare aus der Stirn. »So ist’s gut. Fühlt Ihr Euch schon besser?«
»Ich glaube ja«, murmelte er und rückte sich behaglich zurecht.
Hollis rollte mit den Augen. »Mylady, ich versichere Euch, es besteht kein Grund zur Besorgnis. Lord Bannor hat bereits wesentlich schlimmere Verwundungen gehabt.«
Bannor räusperte sich. »Vielleicht hat Lady Willow Recht.« Er klappte seine Augen zu. »Mir ist tatsächlich ein wenig schwindelig.«
In der Gegend seiner Lenden nahm Bannor allerdings ganz andere Dinge wahr. Niemals hätte er sich träumen lassen, in Gegenwart seiner Untergebenen lang ausgestreckt im Schoß einer Frau zu liegen und den Eindruck zu erwecken, dass er schwer verwundet war. Aber Willows wortloses Gemurmel klang süß und verführerisch wie der reinste Sirenengesang in seinen Ohren.
Er kannte sich mit Frauen aus, das andere Geschlecht hatte ihn stets verwöhnt. Aber bisher hatte er sich nie die Wärme weiblichen Trosts gegönnt, hatte sie immer mit einer Schwäche gleichgesetzt, die er sich nicht erlauben durfte.
Desmonds tonlose Stimme drang durch das
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