Rebellin der Liebe
Schützling allein.
Eigentlich wollte Willow die von Fiona angefertigte winzige Kapuze weiter über das kleine Köpfchen ziehen, aber aus irgendeinem seltsamen Impuls heraus schob sie den Stoff ein Stück zurück und sah das Baby an. Sie hätte gedacht, die Kleine schliefe, doch stattdessen begegnete sie einem hellwachen Blick.
»Tja, hallo«, murmelte sie, von den neugierigen Augen des winzigen Wesens einigermaßen verwirrt.
Pegs rosige Wangen wurden bereits voller, und sie sah weniger runzlig als vielmehr koboldhaft, weniger wie ein Greis als vielmehr wie eine fröhliche kleine Elfe aus. Der Kopf, der noch vor vierzehn Tagen kahl gewesen war, war von weichem, blondem Flaum bedeckt, und unweigerlich strich Willow ihn mit ihren Fingerspitzen glatt.
Das Baby brach in so ansteckendes, vergnügtes Glucksen aus, dass Willow zu ihrem Erstaunen darin einstimmte.
»Du bist wirklich ein gutmütiges kleines Ding«, stellte sie fest und kitzelte vorsichtig die kleine Stupsnase.
Das Baby schob sein Fäustchen aus der Decke und hielt sich kraftvoll an Willows Zeigefinger fest. Als Willow das heitere kleine Gesichtchen betrachtete, empfand sie auf einmal eine bittersüße Zärtlichkeit. Dies war nicht irgendein Baby. Dies war Bannors Baby. Ein Baby, das er mit irgendeiner namen- und gesichtlosen Frau gezeugt hatte, einer Frau, der das ganze Ausmaß seines Verlangens zuteil geworden war.
Willow schob das Ärmchen des Babys unter die Decke zurück und stülpte ihm zum Schutz gegen den kalten Wind die Kapuze über den Kopf. Früher einmal hätte Willow die Mutter der Kleinen vielleicht Leid getan, aber während sie jetzt, den Kopf an ihre Brust gedrückt, in Richtung der Zugbrücke ging, fürchtete sie, dass sie eher so etwas wie Neid empfand.
Als Netta die Tür aufriss und Willow mit der kleinen Peg auf ihrer Schwelle stehen sah, wurde sie kreidebleich.
Sie starrte lange stumm auf den Korb, ehe sie schließlich ihre Stimme wieder fand. »Wenn ich schon nicht Eure Honigtöpfe oder Eure teuren Kerzen wollte, frage ich mich, weshalb Ihr meint, ich wollte vielleicht so etwas.«
Willow machte sich darauf gefasst, dass Netta ihr die Tür vor der Nase zuschlagen würde, aber die Hure marschierte wortlos in die Hütte und ließ die Tür offenstehen.
Es war eine nicht gerade herzliche Einladung, aber Willow beschloss sie anzunehmen. Sie trat vorsichtig ein und sah, dass Netta, ihr den Rücken zugewandt, mitten im Zimmer stand. Sie hatte die Arme um den Leib geschlungen, als wäre ihr plötzlich eiskalt. Ihr Haar hing offen über ihre Schultern und sie hatte keine Schuhe an. Ihr Bett war glücklicherweise leer.
»Ich hoffe, es macht Euch nichts aus, dass ich das Baby mitgebracht habe«, begann Willow in bemüht fröhlichem Ton, als sie endgültig den Raum betrat. »Fiona hat mich gebeten, mich um das Kleine zu kümmern, solange sie mit einem der anderen Babys beschäftigt ist.«
»Stellt sie neben den Kamin«, wies Netta sie an, ohne sich umzudrehen. »Sonst verkühlt sie sich noch.«
Willow tat, wie ihr geheißen, ehe sie ihren Umhang ablegte und sich auf den Hocker sinken ließ. »Woher wisst ihr, dass es ein Mädchen ist?«, fragte sie erstaunt.
Netta zuckte mit den dünnen Schultern. »Ob Mädchen oder Junge, ist doch völlig egal. Ihnen allen ist das gleiche traurige, entbehrungsreiche Leben vorherbestimmt.«
Willow schnalzte mit der Zunge. »Oh, das würde Bannor niemals zulassen. Seine Kinder mögen ihn manchmal an den Rand der Verzweiflung treiben, aber ich würde wetten, dass er sein Leben dafür opfern würde, dass es ihnen im Leben einmal gut ergeht.«
Endlich drehte sich Netta zu ihr um und sah sie mit einem trübsinnigen Lächeln an. »Dann sollte sich die Kleine glücklich schätzen, dass sie einen solchen Vater hat.«
»Allerdings«, stimmte Willow ihr in Gedanken an ihren eigenen Vater mit leiser Stimme zu. »Das sollte sie.«
»Warum macht sie komische Geräusche?«, fragte Netta in überraschend sorgenvollem Ton. »Hat sie vielleicht Hunger? Oder tut ihr irgendetwas weh?«
»Höchstwahrscheinlich langweilt sie sich nur.« Willow streckte ein Bein aus, schaukelte das Körbchen mit dem Fuß - eine Fähigkeit, die sie im Umgang mit den Kindern ihrer Stiefmutter perfektioniert hatte -, und schon bald wurde das Wimmern des Babys durch fröhliches Glucksen ersetzt.
Nettas Anspannung schien sich zu legen, sie nahm am Fuß des Bettes Platz und sah Willow mit einer Mischung aus Müdigkeit und Neugier an.
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