Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)
sie.
Als hätte er auf diese Worte gewartet, veränderte er seinen Rhythmus, setzte ein Beben ans Ende jedes Stoßes und schickte sie über den Rand des Abgrunds. Vielleicht schrie sie, vielleicht keuchte sie, sie wusste es nicht; sie nahm nichts anderes mehr wahr als ihre rasenden Herzen und seine Haut. Feuer leckte aus ihrer Mitte über die Haut; jeder Finger und jeder Zeh schmerzte. Wieder und wieder erschauderten sie gemeinsam, ließen sich von der Welle tragen, bis sie zusammenbrach und verebbte. Victorias Bewusstsein kehrte erst wieder zurück, als Raeburns Stöße langsamer wurden und endeten. Als er sich zurückzog, lag sie keuchend da. Sacht löste er ihre zittrigen Beine von seinen Schultern. Dann legte er sich, immer noch atemlos, neben sie und zog ihren Kopf an seine Brust. Die Beule an ihrem Kopf schmerzte ein wenig, als er mit dem Arm dagegenstieß, doch sie ignorierte es.
»Genug von mir bekommen?«, murmelte er in ihr Haar.
»Es war ein Anfang.« Sie schob einen Arm unter ihn und legte den anderen um seinen Oberkörper.
Er seufzte, und lange Zeit lagen sie einander einfach nur in den Armen. Victoria leerte ihren Verstand, ließ ihn driften.
Schließlich regte Raeburn sich. »Es tut mir Leid, aber ich muss mein Gesicht abwaschen. Der Schweiß – er brennt.«
Victoria löste sich sofort von ihm. »Warum haben Sie nichts gesagt? Ich erwarte doch nicht von Ihnen, dass Sie meinetwegen …«
Er stand kopfschüttelnd auf und durchquerte den Raum. »Das war mein Stolz, das waren nicht Sie.«
»Wenn Sie schon um Ihrer selbst willen nicht vorsichtiger sind, denken Sie wenigstens daran, dass ich mir die Schuld für all Ihre Schmerzen gebe.«
»Sie sollten gar nicht wissen, dass ich noch welche habe.«
Er beugte sich über die Waschschüssel und benetzte sein Gesicht.
Das Kerzenlicht zeichnete seine Rückenmuskeln nach, und Victoria musste einmal mehr zur Kenntnis nehmen, was für ein prachtvoller Mann er war. Er drehte sich zu ihr um und schien den bewundernden Ausdruck auf ihrem Gesicht zu sehen, denn er lachte erschöpft.
»Sie werden noch ein, zwei Atemzüge lang warten müssen, wenn Sie mehr haben wollen, Circe. Ich bin keine achtzehn mehr.«
»Was auch gut ist, denn als Sie achtzehn waren, war ich doch noch sehr jung, und wir waren damals beide, wie ich fürchte, schrecklich dumm.« Sie studierte sein Gesicht, um zu sehen, ob es geröteter war als zuvor. »Wir brauchen überhaupt nichts mehr zu tun. Ich bin zufrieden damit, Sie einfach nur bei mir zu haben.«
»Und die ganze Zeit über dachte ich, Sie hätten Spaß.« Er kehrte ins Bett zurück. »Nein, Victoria, ich bin nicht so entkräftet, wie Sie zu fürchten scheinen.« Er schüttelte den Kopf. »War ich je achtzehn, oder hat man mir die Erinnerungen eines anderen Jungen in den alten Kopf eingepflanzt?«
»Sie müssen ein ziemlicher Wüstling gewesen sein, wenn die Gerüchte stimmen.«
Raeburn sah sie mit schief gelegtem Kopf an und zog sie an seine Seite. »Diesen Ruf habe ich mir erst mit dreiundzwanzig erworben. Aber ich hatte ihn verdient. Ich hatte Glück, dass ich mir nicht ein halbes Dutzend unaussprechlicher Krankheiten zugezogen habe und mir in diesen miesen Bordellen, die wir aufzusuchen pflegten, keiner die Kehle durchgeschnitten hat.«
»Wahnsinniger«, stimmte Victoria ihm zu und umrundete mit der Fingerspitze seine Lippen. Er küsste sie. Ihr kam ein irritierender Gedanke. »Und Sie haben keiner von diesen Frauen je ein Kind angehängt?«
Er wirkte überrascht, dann konsterniert. »Ich hoffe nicht. Aber das werde ich wohl nie herausfinden, oder?« Er schüttelte den Kopf. »Sie halten mich jetzt vermutlich für kriminell vergnügungssüchtig, aber ich habe nie darüber nachgedacht. Ich habe mir meinen Spaß geholt... und alles gleich wieder vergessen.«
»Sie haben das nie in Betracht gezogen? Sich nie vorgestellt, dass Ihr eigener Sohn vielleicht auf irgendeiner Türschwelle ausgesetzt oder in der Themse ertränkt worden ist?« Victoria starrte ihn an.
»Wenn ich bei meinen egozentrischen Ausschweifungen auch nur eine Sekunde innegehalten und nachgedacht hätte, glauben Sie, ich hätte dann immer noch das tun können, was ich getan habe?« Er sprach ruhig, aber der Schmerz in seinen Augen war deutlich zu sehen, und er schien sich dieselbe Frage zu stellen wie sie.
»Ich hoffe doch nicht«, sagte Victoria.
»Ich auch.« Er schwieg. »Wenn jetzt eine Frau zu mir käme und behauptete, ihr Kind wäre von mir, und es
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