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Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Rebellin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce
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wäre denkbar, dass dem so ist, dann würde ich, glaube ich, die Verantwortung übernehmen. Auch wenn es erlogen wäre, allein die theoretische Möglichkeit würde mich zum Handeln zwingen.«
    »Als Buße?« Sie fuhr mit den Fingern langsam über seine Brust.
    » Noblesse oblige , wenn Sie so wollen. Ich habe mir das droit du seigneur herausgenommen, also muss ich auch die Verantwortung tragen, die mit dem Privileg einhergeht.«
    »Sogar, wenn Sie für das Privileg in barer Münze bezahlt haben?«
    »Gerade dann, denke ich.« Er betrachtete ihren Bauch. »Und was, wenn Sie schwanger wären?«
    »Oh, bitte nicht!«, platzte Victoria heraus. Raeburn zog eine Augenbraue hoch, und sie erklärte es etwas ruhiger. »Das ist sehr unwahrscheinlich, aber dennoch … Ich mag mich geändert haben, die Welt nicht. Sie hat keinen Platz für einen Bastard, nicht einmal, wenn die Mutter die Tochter eines Earls ist. Ich vermute, ich würde nach Italien gehen, denn ich hasse die Vorstellung, irgendeinen armen Vikar zu bezahlen, noch mehr als ich das Exil hassen würde.«
    »Und würden Sie dann, um des Kindes willen, ein tugendhaftes Leben führen?«
    »Ich wüsste nicht, wie mir das, in dieser Lage, möglich sein sollte.«
    Victoria spürte ihn zögern und schaute ihn fragend an.
    Er nahm ihre Hand. »Falls es dazu kommen sollte, werde ich dafür sorgen, dass es Ihnen beiden an nichts fehlt.«
    »Danke«, sagte Victoria schlicht. »Aber das ist das Letzte, woran ich jetzt denken möchte. Küssen Sie mich, Raeburn. Mehr brauche ich heute Nacht nicht mehr.«
    Und das tat er.

22. Kapitel
     
    Victoria saß auf der Fensterbank des Einhorn-Zimmers. Die Sonne war noch kaum über den Horizont gestiegen, aber es gab nichts mehr zu tun. Sie hatte vor einer Stunde die Augen aufgeschlagen und sich alleine mit ihrem Gepäck wiedergefunden. Die Tasche und die Reisekiste standen in der Mitte des Raums wie am Abend ihrer Ankunft. Sie hatte mit bleischwerem Magen nach Annie geläutet, die ihr beim Ankleiden helfen sollte. Von den Sachen, die er für sie hatte machen lassen, würde sie nichts mitnehmen.
    Jetzt musste sie sich nur noch die Treppen hinunterbringen lassen, was eine schreckliche Prozedur war, noch schrecklicher aber mit der Krinoline, die sie entweder hatte anziehen oder zurücklassen müssen. Und genau wie sie sich weigerte, etwas von Raeburn mitzunehmen, weigerte sie sich auch, etwas zurückzulassen. Sie wünschte nur, ihre Gedanken wären so leicht zu ordnen gewesen wie ihr Besitz.
    Sie hatte noch viele Stunden Zeit, bevor sie gehen musste, und früher zu gehen, ließ den Zug auch nicht eher aus Leeds abfahren. Aber die Mauern Raeburn Courts erstickten sie, und der Duke wartete nicht mit ihr zusammen. Es gab keinen Grund, noch zu bleiben. Sie betätigte den Klingelzug, um nach den Dienstboten zu rufen, die ihr Gepäck nach unten bringen sollten – und sie dazu.
    Ihre Augen fühlten sich sandig an. Hatte sie letzte Nacht geschlafen? Hatte er geschlafen? Sicher war sie irgendwann eingeschlafen, denn sie konnte sich nicht daran erinnern, dass Raeburn gegangen oder ihr Gepäck eingetroffen war.
    Ihre Gedanken kehrten mit unausweichlicher Sicherheit zu Raeburn zurück. Es war, als hätte sich in ihrem Kopf ein Trichter geöffnet, und was immer sie auch dachte, ihre Gedanken fielen hinein und kehrten unaufhaltsam zu ihm zurück. Ja, sie selbst schien durch diesen Trichter gefallen zu sein, denn sie fühlte sich leer und körperlos, als sei ihr ganzes Ich von nichts als Schatten erfüllt.
    Sie sah sich zum letzten Mal in ihrem Zimmer um – der Betthimmel, das Federbett, die frischen Laken, die nicht zu den verblassten Stoffen passten, der leere Stuhl am Kamin, der enorme Wandteppich. Ein Wandteppich, hinter dem sich nichts als eine nackte Wand verbarg. Kein Geheimgang, keine Monster. Nur ein Mann, ein trauriger Mann, der sie benommen machte, so sehr vermisste sie ihn jetzt schon; ein trauriger Mann in einem vermoderten alten Haus.
    Es klopfte an die Tür, und auf ihr Rufen hin schwang sie auf; herein kamen der Lakai und der Stallbursche. Victoria konnte trotz ihrer Benommenheit erkennen, wie fröhlich Andrews Schritt war und dass sich hinter der höflich beherrschten Maske ein freudiges Gesicht verbarg.
    »Seine Gnaden hat uns angewiesen, als Erstes Sie zu holen, Mylady«, sagte Andrew. »Hat gesagt, er möchte nicht, dass wir Sie auf der Treppe fallen lassen, weil wir vom Gepäcktragen müde sind.« Er nickte in Richtung der großen

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