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Rebellin unter Feen

Titel: Rebellin unter Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Anderson
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Frau. »Und er wurde dieses Jahr Kapitän der Rudermannschaft.«
    Der Mann fuchtelte abwehrend mit einem zusammengefalteten Blatt Papier. »Ich kann selber lesen, Beatrice«, sagte er.
    Seine Partnerin murmelte etwas und schwieg. Nach einer Weile ließ der Mann das Blatt in den Schoß sinken und lehnte sich seufzend zurück.
    »Er kommt Weihnachten nicht nach Hause«, sagte er traurig.
    »Er ist jung, George. Hättest du mit sechzehn lieber bei deinen Eltern zu Hause gesessen, als nach Paris zu fahren? Wenigstens ist er dort gut versorgt, und Silvester feiert er dann mit uns.«
    »Hoffentlich.« Der Mann warf den Briefumschlag auf den Teetisch. Er rutschte über die Tischplatte und fiel auf den Boden. Bryony las rasch die Adresse – George und Beatrice McCormick. Dann duckte sie sich, denn der Mann kam näher.
    »Soll ich dir beim Spülen helfen?«, fragte er und bückte sich nach dem Umschlag. »Wenn du willst, trockne ich ab.«
    »Gern«, sagte die Frau. Wie selbstverständlich fügte sie hinzu: »Danke.«
    Bryony trat erschrocken einen Schritt zurück. Wie konnte die Menschenfrau sich aus einem so nichtigen Anlass bei ihrem Partner bedanken? Sich nur wegen einiger Teller für immer in seine Schuld begeben?
    Doch auch der Mann benahm sich reichlich seltsam, dachte sie, als sie sich wieder etwas gefasst hatte. Er wollte seiner Frau helfen, ohne dass sie ihn darum gebeten oder er eine Gegenleistungausgehandelt hätte. Schätzte er den Wert seiner Arbeit so gering ein? Fürchtete er nicht, dass seine Partnerin ihn ausnützen könnte?
    Oder hatten die beiden Menschen eine grundsätzliche Abmachung getroffen und brauchten nicht mehr zu verhandeln?
    Bryony wäre am liebsten geblieben, um eine Antwort auf diese Frage zu bekommen, doch sie hatte schon genug Zeit verschwendet. Sie sah im Zimmer keinen brauchbaren Gegenstand aus Metall und hätte sich sowieso nicht getraut, es zu betreten. Nach einem letzten, sehnsüchtigen Blick durch die Scheibe trat sie ein paar Schritte zurück und schwebte zum Fenster neben der Tür hinauf.
    Sie flog von der Küche zum Esszimmer, in den oberen Stock und wieder hinunter. Was sie in den Zimmern sah, erstaunte und faszinierte sie. Doch nirgends entdeckte sie einen metallenen Gegenstand, der sich als Feenmesser geeignet hätte. Erst das letzte Zimmer versprach in dieser Hinsicht mehr. Bryony spähte durch einen Spalt im Vorhang. Es war nur schwach erleuchtet, doch schien es sich um ein Arbeitszimmer zu handeln. Die Wände waren mit Bücherregalen bedeckt, direkt vor ihr stand ein Schreibtisch mit Stapeln von Papier. Und auf dem Schreibtisch stand im Schein einer Schwanenhalslampe ein Tongefäß mit verschiedenen Stiften, einem Lineal und …
    »Oh«, flüsterte Bryony andächtig.
    Der Gegenstand erinnerte auf den ersten Blick an einen Speer. Der Schaft aus blitzendem Silber war fast so lang wie Bryony groß. Doch statt in einer rautenförmigen Spitze, wie Bryony und Dorna sie herstellten, endete er in einer langen, spitz zulaufenden Klinge. Sie wirkte gefährlich scharf. Bryony klatschte aufgeregt in die Hände. Wenn es ihr gelang, die Klinge aus dem Schaft zu ziehen, hatte sie ein Messer, wie sie es sich besser nicht wünschen konnte.
    Das Zimmer war leer, die Gelegenheit günstig. Bryony musste nur noch hineinkommen. Sie hockte sich auf den Fenstersims, schob die Hände in den Spalt unter dem Fenster und drückte nach oben. Nichts geschah, außer dass sie sich die Knöchel aufschürfte. Bryony fürchtete schon, das Fenster könnte abgeschlossen sein, da bewegte es sich plötzlich doch knarrend ein Stück nach oben. Sie musste noch ein paar Mal mit zusammengebissenen Zähnen drücken, dann war der Spalt groß genug, um hindurchzuschlüpfen.
    Noch konnte sie umkehren. Niemand hatte sie bemerkt, und die Menschen waren nirgends zu sehen. Sobald sie das Haus betrat, konnte alles Mögliche passieren. Wenn die Menschen Zauberlampen hatten, hatten sie ihr Haus womöglich auch durch Zaubersprüche gegen Eindringlinge geschützt. Lohnte sich das Risiko?
    Sie würde drinnen erst einmal warten, nahm sie sich vor und legte sich auf den Fenstersims. Dann konnte sie immer noch die Flucht ergreifen, wenn etwas schief ging. Sie schob sich durch den Spalt, richtete sich auf der anderen Seite auf und wartete angespannt. Nichts geschah. Vielleicht konnten die Menschen doch nicht so gut zaubern.
    Die empfindlichen Flügel auf ihrem Rücken zitterten unternehmungslustig. Bryony zögerte kurz, dann breitete

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