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Rebellin unter Feen

Titel: Rebellin unter Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Anderson
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seit sie das Messer hatte, keinen ernsthaften Grund mehr, dorthin zurückzukehren. Trotzdem lockte es sie. Das Haus war so faszinierend anders als die Eiche. Der Anblick der Möbel, Teppiche und Vorhänge hatte ihr eine merkwürdige Befriedigung verschafft und ihren Sinnen geschmeichelt wie eine gut zubereitete Mahlzeit. Und natürlich interessierten sie auch die Menschen, die das Haus so schön eingerichtet hatten.
    Warum wusste ihr Volk so wenig über sie? Bevor die große Spaltung den Feen ihre Zauberkraft geraubt hatte, waren sie ständig durch die Welt außerhalb der Eiche gestreift und hatten ihre Beobachtungen aufgeschrieben. In der Bibliothek standen Abhandlungen über alle erdenklichen Geschöpfe, einschließlich der gefährlichsten Räuber. Wie war es nur möglich, dass die Menschen ihrer Aufmerksamkeit entgangen waren?
    Es sei denn – die Erkenntnis dämmerte ihr langsam, traf sie dann aber mit voller Wucht –, es gab irgendwo in der Eiche doch Bücher über Menschen und sie waren nur in Vergessenheit geraten.
     
    Einst, zu einer Zeit lange von Bryonys Geburt, hatte in der Bibliothek rege Betriebsamkeit geherrscht. Die abgenutzten Sitze der Stühle um den großen Tisch in der Mitte, die geknickten Buchrücken und die zerlesenen Seiten der Bücher zeugten von einem Lerneifer, von dem jetzt nichts mehr zu spüren war. Die neuesten Bücher hatten auf einem eigenen Gestell ausgelegen – inzwischen lag darauf nur noch Staub, denn niemand schrieb in der Eiche noch Bücher, genauso wenig wie es noch Maler oder Musiker gab. Die kreativen Fähigkeiten der Feen wie auch ihr leidenschaftliches Interesse an den Wissenschaften schienen erloschen.
    Da die Eichenbibliothekarin außer für die Bibliothek auch noch für das Archiv und das Vorratslager zuständig war, hatte Bryony schon damit gerechnet, sie nicht an ihrem Schreibtisch anzutreffen. Wahrscheinlich überprüfte sie zusammen mit den Sammlerinnen, ob ihre Aufzeichnungen über die Vorräte für den Winter stimmten. Oder sie putzte die Laternen und anderen alten Zierrat für die Sonnwendfeier. Bryony nahm den kleinen Hammer und schlug damit gegen den Messinggong auf dem Schreibtisch. Ein tiefer, metallischer Ton breitete sich wummernd im Zimmer und im Gang draußen aus.
    Kurz darauf erschien Pechnelke. Sie wirkte gehetzt. Über ihre Wange zog sich ein schmutziger Streifen, und ihre Haare waren ungekämmt. »Was willst du?«, fragte sie.
    »Ich suche nach Büchern über die Menschen«, sagte Bryony.
    Pechnelke musterte sie misstrauisch. »Schickt die Königin dich?«
    »Nein. Ich möchte einfach mehr über die Menschen erfahren.«
    Die Bibliothekarin wirkte sichtlich erleichtert. Sie trat hinter den Tisch, schlug den Katalog auf und blätterte. »Hm, ich habe einige Bücher in einer eigenen Sammlung«, sagte sie. »Interessierst du dich für ein besonderes Thema?«
    »In einer eigenen Sammlung? Warum stehen sie nicht bei den anderen Büchern?«
    In Pechnelkes Blick trat etwas Abwägendes, als überlege sie, was sie von Bryonys Frage halten sollte. »Weil sie … etwas Besonderes sind«, antwortete sie. »Und wertvoll. Ich kann sie nicht jedem geben.«
    »Ich dachte, es sei deine Aufgabe, anderen Bücher auszuleihen«, sagte Bryony ungeduldig. »Aber wenn du handeln willst, von mir aus. Ich habe ein schönes, frisch gegerbtes Eichhörnchenfell, genau in der richtigen Größe für eine Bettdecke. Das kannstdu haben, wenn du willst. Aber dann will ich alle Bücher sehen, die du hast, nicht nur eins oder zwei.«
    Pechnelke starrte sie mit aufgerissenen Augen an, sprachlos über das verlockende Angebot – oder auch über Bryonys Dreistigkeit. Sie blickte verstohlen zur Tür. »Also gut … abgemacht. Aber das bleibt unter uns.« Sie führte Bryony in den hinteren Teil der Bibliothek. »Du bist eine Jägerin und hast deshalb vermutlich deine Gründe, warum du etwas über die Menschen wissen willst. Aber die Königin wäre vermutlich nicht erfreut, wenn auf einmal alle Feen solche Bücher lesen wollten.«
    Im hinteren Teil der Bibliothek war, fast unsichtbar im Schatten zwischen zwei Regalen, eine schmale Tür in die Wand eingelassen. Pechnelke sperrte sie mit einem Schlüssel auf, der am Schlüsselbund an ihrem Gürtel hing, und ließ Bryony in eine Kammer treten. In der Kammer standen ein Stuhl und ein hohes, mit Büchern überladenes Regal. »Bitte«, sagte sie.
    »Welche handeln von Menschen?«, fragte Bryony.
    »Alle.« In Pechnelkes Stimme schwang Ungeduld.

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