Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rebellin unter Feen

Titel: Rebellin unter Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Anderson
Vom Netzwerk:
hüpfte vor ihr über den Weg. Die Bäume, das Gras, die wilden Blumen, alles erschien ihr schöner und bedeutungsvoller als je zuvor, und sie dachte unwillkürlich, ob sie ihre Umgebung nicht erst jetzt richtig wahrnahm. Wie schön war die Landschaft plötzlich, wenn einem in ihr keine tödlichen Gefahren mehr drohten.
    Doch sie hatten keine Zeit, die Landschaft zu genießen, siemussten nach Hause zurück. Paul war bereits auf die Straße gefahren und trieb den Rollstuhl mit kraftvollen Armbewegungen an. Klinge musste laufen, um ihn einzuholen.
    Zu Hause angekommen holte Klinge den Gartenschlauch von hinter dem Haus und spritzte den Rollstuhl, Paul und sich selbst ab, bis aller Dreck weggewaschen war. Anschließend gingen sie nach drinnen. Sie nahmen sich Handtücher, zogen ihre nassen Kleider aus und wischten die Böden trocken. Endlich sagte Paul, sie seien fertig, und fuhr ins Badezimmer, um ein heißes Bad zu nehmen. Auch Klinge konnte eins gebrauchen.
    Doch nicht einmal als sie in der Badewanne der McCormicks im ersten Stock lag und das warme Wasser auf der Haut spürte, konnte sie sich entspannen. Den Wannenrand an den Schultern zu spüren, erinnerte sie an ihre fehlenden Flügel, und all die Sorgen, die sie verdrängt hatte, brachen plötzlich wieder hervor. Sie war nicht die erste Fee seit der großen Spaltung, die versehentlich zauberte, aber bestimmt die erste, die sich in einen Menschen verwandelt hatte. Wenn sie die neue Gestalt nun behielt? Oder schlimmer noch, wenn sie wieder auf ihre eigentliche Größe schrumpfte, aber trotzdem keine Flügel mehr hatte?
    Hastig zog sie den Stöpsel aus dem Abfluss und stand auf. Hemd und Hose waren noch nass. Sie wrang sie noch einmal aus, so gut es ging, und schlüpfte mit einiger Mühe hinein. Sie wusste nicht, wie es weitergehen würde. Aber wenn der Zauber nachließ – falls er nachließ –, war sie wenigstens darauf gefasst.
    Als sie die Treppe hinunterstieg, wartete Paul unten schon auf sie. »Tut mir leid«, sagte er und wich ihrem Blick aus. »Du kannst jetzt gehen.«
    »Zur Eiche? Nicht solange ich so groß bin«, erwiderte sie. »Außerdem gehe ich erst, wenn du …«
    Ein Kribbeln durchlief sie, das Zimmer begann sich zu drehenund sie fiel hin. Das Schwindelgefühl legte sich wieder und sie hob den Kopf. Paul starrte von oben auf sie herunter.
    Der Zauber ist vergangen, dachte sie, doch in ihre Erleichterung mischte sich seltsamerweise Enttäuschung. Sie stand auf – und erstarrte. Hinter ihr raschelte etwas. Ihre Flügel hoben sich und breiteten sich aus …
    »Große Gärtnerin«, flüsterte sie.
    »Tja«, sagte Paul ausdruckslos, »ein Problem wäre gelöst.«
    Klinge fühlte sich federleicht. Sie drückte sich vom Boden ab und schwebte zur Decke hinauf, wich der Lampe aus und flog an Paul vorbei nach draußen in den Gang. Sie drehte sich um sich selbst, erprobte ihre Flügel in allen möglichen Lagen, vollführte einen Salto und verharrte zuletzt reglos schwebend in der Luft. Sie war wie berauscht vor Freude.
    Ihr Blick fiel auf ihr Spiegelbild im Flurspiegel. Zwar war der Riss in ihrem Flügel verschwunden, aber die Flügel hatten sich trotzdem verändert. Sie sahen heller und zerbrechlicher aus, weniger wie Papier und mehr wie Glas. Außerdem spürte Klinge jetzt, als die erste Begeisterung sich legte, dass ihre Flügelmuskeln schwächer geworden waren. Die Schultern taten ihr weh, und schon das Schweben in der Luft strengte sie an.
    Aber sie flog! Das hieß, sie konnte die königliche Jägerin bleiben und jetzt zur Eiche zurückkehren und ihren Dienst versehen. Davon hätte sie nicht zu träumen gewagt. Sie flog in einer Spirale nach unten, landete auf dem Pfosten des Treppengeländers und lächelte.
    Paul erwiderte ihr Lächeln, doch seine Augen blieben ernst. Klinge begriff, wie ihm zumute sein musste, und ihr Glücksgefühl verging. Wie konnte sich ein Verletzter ohne Aussicht auf Heilung schon fühlen, der zusehen musste, wie jemand anders plötzlich wieder gesund wurde und sein Glück nicht fassen konnte?
    »Sag’s mir«, sagte sie leise.
    »Was denn?« Er drehte sich um und fuhr zu seinem Zimmer zurück. Klinge drückte sich von dem Pfosten ab und flog ihm nach.
    »Warum wolltest du dich eben im Teich umbringen?« Sie landete auf dem Kleiderschrank.
    »Ist das nicht klar?«
    »Nein. Und ich verstehe auch ein paar andere Dinge nicht. Warum sprichst du nicht mit deinen Eltern? Bist du wütend, weil …«
    »Nein!« Er drehte sich von ihr

Weitere Kostenlose Bücher