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Rebellin unter Feen

Titel: Rebellin unter Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Anderson
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noch meine Eltern.« Er klang bitter.
    »Meine Eltern haben nicht aufgegeben, aber nach einer Weile wünschte ich, sie hätten es. Als sie sagten, sie hätten das Haus für mich umgebaut und wollten mich nach Hause holen … das war, als würden die letzten Jahre meines Lebens einfach ausgelöscht. Als sei ich nie von zu Hause weg gewesen und auch nicht älter geworden. Ich war nicht mehr der Sohn, auf den sie stolz waren, sondern ein trauriger, kleiner Krüppel.«
    »Aber du sagtest, du seist nicht wütend auf sie.«
    »Das war ich ja eigentlich auch nicht. Ich wusste, es war nicht ihre Schuld. Es war mehr so …« Er rieb sich mit der Hand die Stirn. »Sie sollten nicht noch mehr Opfer für mich bringen und sich ständig um mich sorgen müssen. Ich wollte nicht mehr ihr Sohn sein, sondern einfach ein Ding in einem Rollstuhl, das sie allmählich leid wurden. Ich wollte mich umbringen, und dann sollten auch sie erleichtert sein.«
    »Deshalb hast du mit niemandem mehr gesprochen«, sagte Klinge langsam. »Nur mit mir. Warum mit mir?«
    »Du warst anders.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Solltest du aber.« Paul ließ die Hand fallen und sah Klinge so traurig an, dass es ihr einen Stich versetzte. »Ich hatte nicht erwartet, dass ich dir je wieder begegnen würde«, sagte er. »Nach so vielen Jahren glaubte ich nicht mehr, dass es dich überhaupt gab. Doch dann hast du auf einmal vor der Hecke gestanden und mich angesehen. Ich brauchte lange, bis ich das verarbeitet hatte. Dann dachte ich wieder, ich hätte mir alles nur eingebildet, da fällst du auf einmal vom Himmel und landest auf meinem Schoß.
    Als ich dich mit dem zerrissenen Flügel da liegen sah, da …da wollte ich, dass du lebst. Ich wollte wissen, ob du noch fliegen kannst oder was du sonst tun würdest. Und dann bist du aufgewacht und hast mit mir geredet. Ohne Rücksichtnahme und Mitleid. Als ob ich … gesund sei.«
    Ein Schauer lief Klinge über den Rücken, und sie wollte Paul sagen, er solle aufhören, aber es war zu spät. Paul machte die Augen fest zu, und Klinge merkte, dass er weinte. Sie spürte einen schmerzhaften Druck auf der Brust.
    »Du hast mir erlaubt, dich zu zeichnen, und die Zeichnung gelang sehr gut. Sie ist das Beste, das ich seit Jahren gemacht habe. Und dann haben wir uns über Kunst unterhalten, und du hast mir so interessiert zugehört, dass ich dachte, vielleicht …«
    »Halt«, rief Klinge, »du brauchst nicht weiterzureden, ich verstehe dich auch so.« Denn der Rest der Geschichte war ihr inzwischen schmerzhaft klar. Er hatte sie als Freundin betrachtet, doch dann hatte er die Beherrschung verloren und ihr Angst gemacht. Er hatte das einzig Schöne, das er seit seinem Unfall erlebt hatte, kaputt gemacht – durch seine Schuld. Kein Wunder, dass er hatte aufgeben wollen.
    Paul lachte unsicher und wischte sich das Gesicht am Ärmel ab. »Ich trage ein wenig dick auf, ich weiß. Tut mir leid.«
    Klinge schüttelte den Kopf. »Nein, mir tut es leid. Ich hätte nicht fragen dürfen, ich war …« Sie zögerte. Hatte sie das Wort überhaupt schon einmal benutzt? Aber es stimmte. »Egoistisch.«
    »Du bist eine Fee«, sagte Paul. »Natürlich denkst du nicht wie ein Mensch. Ich mache dir keine Vorwürfe.«
    Klinge sah nach unten auf ihre Füße. »Ich muss gehen. Meine Leute … werden sich fragen, wo ich bin.«
    Paul streckte die Hand aus, entriegelte das Fenster und schob es auf. »Ich weiß, verglichen damit, dass du mir das Leben gerettet hast, ist es nicht viel«, sagte er. »Aber wenn du dich einmal mit mirüber Kunst unterhalten oder meine Bücher ansehen willst oder sonst etwas … ich bin hier. Einverstanden?«
    »Einverstanden«, nickte Klinge, von dem großzügigen Angebot ein wenig überrumpelt. Flatternd sprang sie auf den Fenstersims. Dort drehte sie sich noch einmal um. »Ich werde kommen. Ich weiß noch nicht wann, aber … ich versuche es.«
    Paul lächelte. »Gut.«
    Klinge stieg durch das Fenster und ließ sich nach draußen fallen. Ihre Flügel surrten, und sie landete sanft auf dem gepflasterten, mit Moos und Gras überwachsenen Weg. Die Sonne schien ihr warm auf den Rücken, und in der Ferne sang eine Lerche. Sie war frei.
    »Auf Wiedersehen, Klinge«, drang es aus dem Fenster über ihr. Quietschend entfernte sich sein Rollstuhl. Klinge blieb bewegungslos stehen und sah zu dem leeren Fenster hinauf. Dann schüttelte sie sich, straffte die Schultern und machte sich auf den Weg zur Eiche.
     
    Sie huschte am

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