Rebellin unter Feen
Menschen noch seltsamer und sonderbarer, als sie gedacht hatte. Es war schon schwer genug für Paul, den Hang zum Teich hinunterzufahren. Wie sollte er es hinauf schaffen?
»Du kannst übrigens gehen, Klinge«, sagte Paul. »Ich komme schon zurecht.« Fast schon flehentlich fügte er hinzu: »Geh jetzt doch. Bitte.«
Klinge drehte sich nicht nach ihm um. Sie hatte den Blick unverwandt auf den Teich gerichtet. Er war ungefähr dreißig Krähenlängen breit und so trübe, dass man nicht durch die Wasseroberfläche sah.
»Ich bin als Kind hier geschwommen«, sagte Paul und rollte hinter sie. Er klang schicksalsergeben. Offenbar hatte er gemerkt, dass sie nicht gehen wollte. »Das Wasser war damals viel klarer – oder vielleicht hat es mir auch nichts ausgemacht, dass es so trüb war.« Er gab den Rädern wieder einen Stoß. Der silberne Thron rumpelte an Klinge vorbei.
»Paul«, rief Klinge warnend. »Nicht zu nah ans Ufer!«
Den Blick, mit dem er sie daraufhin ansah, würde sie bis ans Ende ihres Lebens nicht vergessen. Mitleid lag in ihm und ein Anflug von Bedauern, vor allem aber eine schreckliche Heiterkeit. »Ja«, sagte er, und mit einem kraftvollen Schwung seiner Arme fuhr er geradewegs auf den Teich zu.
Die Räder rollten auf den Uferschlamm, wurden langsamer und blieben stecken. Paul wurde aus dem Sitz gerissen und schlug klatschend auf das ölig glatte Wasser. Seine Beine hingen bewegungslos an ihm dran, und er machte keinen Versuch, sich mit den Armen abzufangen. Er ließ sich einfach willenlos ins Wasser fallen …
… und ging unter.
Klinge starrte auf die Wellenringe, die sich auf dem dunklen Wasser ausbreiteten, und den Strom von Luftbläschen, den Pauls helle Haare hinter sich herzogen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und ihre Brust schmerzte dumpf.
Wie gelähmt stand sie da. Mit ihrem verletzten Flügel konnte sie nicht wegfliegen und Hilfe holen, und weil sie so klein war, konnte sie Paul auch nicht aus dem Wasser ziehen.
Mutlos ließ sie die Schultern hängen. Sie wandte sich ab und ging einen Schritt – dann wirbelte sie herum, rannte zum Ufer hinunter und sprang in den Teich.
Sie fuhr mit den Händen kreisförmig durch das sämige Wasser und suchte die Stelle ab, an der er untergegangen war, doch ihre Finger berührten nichts. Nach Luft schnappend brach sie durch die Oberfläche und tauchte wieder hinunter, diesmal tiefer. Sie suchte in alle Richtungen, griff aber nur ins Leere. Erneut kam sie nach oben. Aus ihren Händen lief dunkles Wasser.
Noch einmal, nahm sie sich stumm vor. Los! Sie tauchte wieder so tief sie konnte, diesmal neben der Stelle vom letzten Mal. Suchend streckte sie den linken Arm aus …
Ihre Hand berührte etwas Weiches. Pauls Hemd. Entschlossen packte sie es mit beiden Händen und zerrte daran. Sie strampelte mit den Beinen und spannte die Muskeln bis zum Zerreißen an. Zugleich wusste sie, dass keine Hoffnung bestand. Sie konnte Paul nicht einmal eine Käferlänge hochheben, geschweige denn zur Wasseroberfläche hinaufziehen. Bevor sie selbst ertrank, musste sie loslassen.
Doch etwas in ihr weigerte sich aufzugeben. Wieder riss sie an Paul. Plötzlich sah sie lauter funkelnde kleine Sterne. Unter ihrer Haut kribbelte es wie tausend kleine Motten, und ihre Lungen drohten zu bersten. War das der Tod?
Ohne Pauls Hemd loszulassen, stieß sie sich ein letztes Mal vom Grund des Teiches ab – schoss nach oben und brach durch das Wasser. Sie warf den Kopf zurück, sog gierig Luft in sich hinein, zog die Beine an und schwamm mit dem schlaffen Körper in ihren Händen zum Ufer.
Ihre Füße berührten den Boden, sie stand auf und zog Paul durch das seichte Wasser an den Rand des Teichs. Sein Gesicht war mit Schlamm bespritzt, seine Augen waren geschlossen, der Mund stand offen. Sie zerrte ihn, so weit sie konnte, das Ufer hinauf, wälzte ihn auf die Seite und begann, auf seinen Rücken einzuschlagen. Er rührte sich nicht, und sie fürchtete schon, es könnte zu spät sein. Da hustete er plötzlich, und ein Schwall Wasser sprudelte aus seinem Mund.
Sie wartete, bis er aufgehört hatte zu husten, und rollte ihn wieder auf den Rücken. Seine Augen blieben geschlossen, doch als sie ihm die Hand auf die Brust legte, spürte sie seinen Atem, unregelmäßig und flach zuerst, dann immer tiefer. Sie schlug ihm mit der Hand auf die Wangen. »Paul! Hörst du mich? Paul!«
Er antwortete nicht. Mit dem kleinen Finger säuberte sie seineWimpern vom Schlamm und hielt nach einem
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