Rebellion Der Engel
keine Ahnung, welche Sorgen ich mir gemacht habe. Ich dachte, du …«
Du dachtest, ich sei tot. Schlagartig erinnerte ich mich wieder daran, wie sie weinend auf der Ladekante des Notarztwagens gesessen und immer wieder meinen Namen gemurmelt hatte. Aber hatte ich das wirklich gesehen oder waren diese Erinnerungen Teil des Schmerzmittelrausches?
»Ich komme schon wieder in Ordnung«, sagte ich. »Was ist mit dir?«
Sie hob die linke Hand. Jetzt erst sah ich, dass es sich nicht um einen festen Gips, sondern um eine Schiene handelte, die mit einem Verband fixiert worden war. »Angebrochen. Aber immerhin keine Gehirnerschütterung, obwohl ich mir den Schädel ordentlich angeschlagen habe.«
Mein nächstes Auto würde Airbags haben oder eine noch sicherere Nachfolgeerfindung von Airbags, die es zu dem Zeitpunkt, zu dem ich mir einen neuen Wagen leisten konnte, sicher bereits geben würde. »Es tut mir leid.«
Amber runzelte die Stirn. »Was?«
»Der Unfall.«
»So etwas passiert.«
Obwohl mich die Unterhaltung anstrengte und meine Augenlider mit jedem verstreichenden Moment schwerer zu werden schienen, brauchte ich Antworten. »Was ist genau passiert?«
»Du hast gesagt, der Spiegel sei kaputt«, erzählte Amber. »Vor uns kroch dieser alte Camry über die Interstate, du wolltest ihn überholen und hast dich umgedreht, um zu sehen, ob die Spur frei ist. Dann hast du plötzlich aufgeschrien und im nächsten Moment lagen wir im Graben.«
Ich hatte mich umgedreht, daran erinnerte ich mich wieder. Aber nicht wegen der Spur. »Der Mann!«, entfuhr es mir.
»Welcher Mann?«
»Er war auf dem Rücksitz!« Deshalb hatte ich die Kontrolle über den Wagen verloren! »Wo ist er?«
Amber bedachte mich mit einem langen Blick. Ich wusste, gleich würden die Worte »Kopfverletzung« und »Arzt rufen« fallen. Dem wollte ich zuvorkommen. »Da war niemand?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich schätze, das sind die Schmerzmittel«, sagte ich lahm, obwohl ich mir sicher war, dass ich mich nicht geirrt hatte. Ich hatte diesem Kerl ins Gesicht geschaut und micherschrocken – andernfalls hätte ich diesen Unfall nicht gebaut. Trotzdem ließ ich das Thema fallen, zumindest vorerst. »Das Zeug, das sie mir hier geben, ist wirklich hart. Ich dachte sogar, ich hätte Dad gesehen.«
»Das hast du.«
Es dauerte einen Moment, bis mein Gehirn die Antwort verarbeitet hatte. »Er war hier?« Ich wollte mich aufsetzen, der Schmerz jedoch, der mich bei der ersten Bewegung in einer zornigen Welle überrollte, hielt mich davon ab. »Wann?«
»Einen Tag, nachdem du eingeliefert wurdest.«
»Danach nicht mehr?«
»Nein.«
Das war typisch. Vermutlich war er nur hier gewesen, um herauszufinden, ob er meine Beerdigung in die Wege leiten musste. Sobald er sich davon überzeugt hatte, dass ich überleben würde, hatte er sich wieder aus dem Staub gemacht. Genesungswünsche würde er durch seine Sekretärin übermitteln lassen.
Amber deutete auf die weißen Lilien mit den hängenden Köpfen. »Die sind von ihm.«
Mein Dad brachte mir Begräbnisblumen. Großartig! Offensichtlich war er bei seinem Besuch auf alles vorbereitet gewesen. Viel mehr als die Wahl der Blumen erstaunte mich allerdings, dass er überhaupt gekommen war.
Da die Gedanken an Dad nur schmerzten und auch das stärkste Mittel dagegen nichts ausrichten konnte, wechselte ich das Thema. »Was ist mit dem Bücherwurm ?« Der Bücherwurm war unser Laden und die bloße Vorstellung, dass ich mehrere Wochen nicht dort sein würde, ließ mich unruhig werden.
»Jill und Pat kümmern sich um alles. Ich sehe stundenweise nach dem Rechten und sorge dafür, dass die beiden die Finger von der Buchhaltung lassen.«
Das ließ mich aufatmen. Jill und Pat waren gute Freunde und gleichzeitig unsere Aushilfen, die im Laden arbeiteten, wann immer sie konnten. Und obwohl ihnen ihr Studium weit weniger Zeit lassen dürfte, als sie sich bei uns herumdrückten, waren sie immer zur Stelle, wenn sie gebraucht wurden. Dass Amber und ich gleichzeitig ausfielen, war erst ein einziges Mal vorgekommen, als wir uns beide von verdorbenem Sushi eine Lebensmittelvergiftung eingefangen hatten. Damals hatte sich Pat an der Buchhaltung versucht. Es hatte mich Wochen und einige nervenaufreibende Anrufe bei unserem Steuerberater gekostet, das Durcheinander wieder in Ordnung zu bringen. Dass Amber ihn und seine Schwester von meinen Abrechnungen fernhielt, beruhigte mich, denn eines musste man den beiden lassen: Den
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