Rebellion Der Engel
Laden hatten sie im Griff.
»Um Popcorn brauchst du dir übrigens auch keine Sorgen zu machen«, meinte Amber. »Ich kümmere mich um ihn.«
Popcorn war mein eigensinniger Tigerkater. Er konnte zwar tagelang in der Nachbarschaft herumstreunen und sich von allen möglichen Leuten durchfüttern lassen, die er mal hungrig, mal vorwurfsvoll anmaunzte. Wenn ich jedoch auch nur ein Wochenende nicht zu Hause war, zog er sich in den Schmollwinkel zurück und ignorierte mich, bis ich ihn mit einem Schälchen Sahne und frischem Thunfisch bestach. Davon würde ich eine Menge brauchen, wenn ich wieder nach Hause kam.
Als es mir schließlich kaum noch gelang, die Augen offen zu halten, verabschiedete sich Amber. Ich war eingeschlafen, noch bevor die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war.
In der folgenden Woche holten mich die Ärzte langsam von meiner Schmerzmittelwolke herunter, sodass die Welt jeden Tag ein bisschen mehr an Konturen gewann. Ich schliefweniger und wurde von Untersuchung zu Untersuchung gescheucht, mit dem erfreulichen Ergebnis, dass sich mein Gehirn durch den Zusammenprall mit dem Lenkrad und die fehlende Sauerstoffversorgung nicht in eine gekochte Zucchini verwandelt hatte und ich auch sonst mit keinen bleibenden Schäden rechnen musste.
Amber kam jeden Tag zu Besuch, anfangs nachmittags, später – als sie wieder regulär im Laden arbeitete – erst in den Abendstunden. Obwohl ich ihr sagte, dass das nicht nötig sei, und es sie vermutlich verrückt machte, den Laden jeden Tag lange vor Geschäftsschluss zu verlassen, ließ sie sich die Besuche nicht nehmen.
Einige meiner anderen Freunde schauten ebenfalls vorbei, brachten Blumen und Schokolade und munterten mich mit lustigen Geschichten auf. Dad ließ sich nicht mehr blicken. Wozu auch? Er wusste, dass ich noch lebte – das schien ihm zu genügen.
Nach gut drei Wochen – mittlerweile hatten wir Anfang Juni – war ich wieder vollkommen hergestellt und durfte das Krankenhaus endlich verlassen. Es war ein sonniger Freitag und Amber war gekommen, um mich abzuholen. Obwohl ich mich gut fühlte, bestand sie darauf, meine Tasche zu packen und zum Wagen zu tragen.
»Geht es dir wirklich gut?«, fragte sie, als wir den Parkplatz überquerten.
Erst da fiel mir auf, wie vorsichtig meine Bewegungen geworden waren, seit ich das Gebäude verlassen hatte – als fürchtete ein Teil von mir, zusammenzuklappen, sobald keine Ärzte mehr in meiner Nähe waren, die mich retten konnten. Ich blieb stehen, legte den Kopf in den Nacken und genoss für einen Moment die warme Junisonne auf meinem Gesicht, ehe ich Amber ansah.
»Ja, es geht mir gut«, beruhigte ich sie. »Ich bin heilfroh, wenn ich wieder zu Hause bin.«
»Dann lass uns keine Zeit mehr verlieren.«
An Ambers schwarzem Mustang angekommen, warf sie meine Tasche auf den Rücksitz und öffnete mir die Beifahrertür. Bei der Vorstellung, mich wieder in ein Auto zu setzen, wurde mir mulmig, und das, obwohl Amber eine sehr besonnene und im Gegensatz zu mir alles andere als rasante Fahrerin war. Statt sofort einzusteigen, beobachtete ich, wie sie den Wagen umrundete und sich hinters Steuer setzte.
»Rachel?«
»Schon da.« Ich zwang mich, einzusteigen. Mein Blick wanderte vom Lenkrad zur Rücksitzbank und plötzlich sah ich das Gesicht des Mannes wieder vor mir. An viel konnte ich mich nicht erinnern, dafür war alles zu schnell gegangen. Trotzdem war ich mir sicher, dass er da gewesen war.
Ich saß seitlich im Sitz, sodass ich nach vorne, aber auch nach hinten sehen konnte. Immer wieder glitt mein Blick zur Rücksitzbank. Als Amber auf die I-5 bog, war ich kurz davor, sie zu bitten, eine andere Route zu nehmen. Da uns außer der Interstate aber nur ein riesiger Umweg über die Landstraßen blieb, biss ich die Zähne zusammen und hielt den Mund.
Je näher wir der Unfallstelle kamen, desto größer wurde der Klumpen in meinem Magen. Ich musste mich ablenken, andernfalls würde ich mich in spätestens drei Minuten übergeben.
»Bist du sicher, dass niemand gefunden wurde?« Tolle Ablenkung! Es waren die ersten Worte gewesen, die mir in den Sinn gekommen waren – und jetzt konnte ich sie nicht mehr zurücknehmen.
Amber warf mir einen irritierten Blick zu. »Was meinst du?«
Mir war klar, dass ich mit einem Themenwechsel nicht durchkommen würde, deshalb sagte ich: »Der Unfall.«
»Du glaubst immer noch, dass jemand mit uns im Wagen gewesen ist?«
Ohne den Fremden auf dem Rücksitz wäre der Unfall
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