Rebellion Der Engel
ab, wobei ich mir die Handflächen aufschürfte. Auf Händen und Knien kroch ich vorwärts, versuchte gleichzeitig von meinem Angreifer fort und wieder auf die Beine zu kommen. Ich hatte den Durchgang zur großen Höhle erreicht, als ich ihn hinter mir hörte.
Ein Blick über die Schulter genügte mir, um zu erkennen, dass er mich dieses Mal treffen würde.
Als er zum Schlag ausholte, hob ich schützend den Arm über den Kopf – was mit Sicherheit völlig nutzlos war. Da gruben sich Finger von der anderen Seite des Durchgangs in meine Schulter, packten mich und rissen mich mit Wucht nach vorn.
Das Flammenschwert verfehlte mich um Haaresbreite.
Der Griff an meiner Schulter schmerzte, als ich auf die Beine gezogen und hinter einen Felsen gestoßen wurde. Ich sah mich nach Akashiel um, wollte wissen, ob er gegen den Engel antrat oder mit mir flüchten wollte, doch statt auf die vertrauten kantigen Züge blickte ich in ein weich geschnittenes Gesicht mit bernsteinfarbenen Augen.
Kyriel.
Das Schwert erhoben, fuhr er herum und spaltete den Engel, der in diesem Augenblick aus dem Durchgang trat, mit einem einzigen Hieb in zwei Teile.
»Ich werde trotzdem nicht tun, was ihr von mir verlangt«, presste ich hervor. Nicht gerade ein Dankeschön, aber es waren die ersten Worte, die mir durch den Sinn gingen. Warum sonst sollte er mir das Leben retten, wenn nicht um sicherzustellen, dass ich die Pläne des Morgensterns noch immer in die Tat umsetzen konnte.
Doch Kyriel überraschte mich.
»Ich weiß«, sagte er und war verschwunden, bevor ich noch etwas erwidern konnte.
Einen Moment lang hing mein Blick an der Stelle, an der er eben noch gestanden hatte, dann wanderte er weiter zu dem niedergestreckten Engel im Höhleneingang, dessen Körper sich bereits auflöste.
Aus Sorge, Kyriel könne es sich anders überlegen und mich doch noch holen, setzte ich schleunigst meinen Weg fort. Nachdem mir nun kein Verfolger mehr auf den Fersen war, rannte ich nicht mehr, bewegte mich aber trotzdem in flottem Tempo zwischen den Felsen hindurch. Nach kurzer Zeit öffnete sich zu meiner Rechten ein weiterer Durchgang. Er war größer als der, in dem ich mich versteckt hatte, und wurde von denselben Kristallen erhellt wie die große Felskammer. Ich blieb am Zugang stehen und spähte in den breiten Gang, der sich vor mir erstreckte. Eine Brise strich über mich hinweg. Der Geruch von Salz war hier stärker und mit einem Mal glaubte ich, das Rauschen der Brandung zu hören. Ohne weiter nachzudenken folgte ich dem Stollen, bis er nach ein paar Minuten vor einer gewaltigen ovalen Öffnung endete, die wie ein riesiges Bullauge in der Wand klaffte. Dahinter lag das Meer. Mondlicht glitzertewie Silberstaub auf den Wellen und am Horizont zeigte sich ein erster heller Streifen – der Vorbote eines neuen Tages.
Ich trat dicht an die Kante, auf der Suche nach einem Weg aus der Höhle heraus nach unten, doch dort befand sich nur eine steile Felswand, an der sich die Wellen in ohrenbetäubendem Tosen brachen. Die Finger in den Stein geklammert, beugte ich mich noch weiter vor. Da sah ich ihn – einen schmalen, kaum erkennbaren Pfad, der sich neben mir am Rand der Steilwand entlang nach oben zog. Erleichtert stieß ich den Atem aus.
Ich stand am Abgrund und sammelte Mut für den Schritt über die Kante, auf den schmalen Steg hinaus, als mich ein Gefühl tiefer Verzweiflung überkam. So überwältigend, dass ich ins Wanken geriet und einen Schritt zurück machte, weg von der Steilwand. Das war meine Rettung! Mein Ausweg! Wie konnte ich mich da so verzweifelt und mutlos fühlen?
Ich musste nicht erst in mich hineinhorchen, um zu wissen, wie froh ich über diese Möglichkeit war, den Höhlen zu entkommen – kein bisschen entsetzt oder verzweifelt.
Als ich mich erneut näher an die Kante heranschob, war das Gefühl wieder da, wurde stärker und mischte sich mit Trauer und Enttäuschung. Ich blieb stehen, schloss die Augen und spürte den Emotionen nach, die in immer heftigeren Wellen über mich hinwegwalzten. Sie kamen von außen, das wurde mir nun klar, und drangen tiefer und tiefer in mein Herz, bis sie meine Sinne mit solcher Intensität erfüllten, dass es mir die Tränen in die Augen trieb.
Da begriff ich es.
Was ich spürte, waren die Empfindungen der Nephilim, die sich auf mich übertrugen. Sie wussten, dass ich hier war, und auch, dass ich im Begriff war, wegzugehen, sie zurückzulassen, auf ewig gefangen in ihrem Kerker aus
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