Rebellion Der Engel
Stein.
Diese Wesen mochten zornig sein, wie ich es aus meinenTräumen kannte, doch sie waren noch so viel mehr. Einsam und ohne Hoffnung auf Erlösung saßen sie hier seit Tausenden von Jahren fest – bis ich gekommen war. Meine Nähe hatte sie mit Hoffnung erfüllt, ehe ich sie mit meiner Flucht erneut in den Abgrund der Verzweiflung gestürzt hatte. Die Tränen ließen meine Augen brennen, quollen über und liefen mir über das Gesicht. Entschlossen, sie nicht einfach ihrem Schicksal zu überlassen, machte ich kehrt und lief den Weg zurück, den ich gekommen war.
39
I n der großen Felskammer wurde noch immer gekämpft. Ich hatte damit gerechnet, dass sie nach meinem Verschwinden aufgehört und sich zurückgezogen hätten. Ohne mich gab es keinen Grund mehr für eine Auseinandersetzung – zumindest hatte ich das gedacht.
An die Wand gepresst, im Schatten eines Stalagmiten verborgen, sah ich mich nach Akashiel um und betete, dass ihm nichts zugestoßen war. Es dauerte eine Weile, ehe ich ihn inmitten des Durcheinanders ausmachen konnte. Nachdem er sich gegen Japhael gewandt hatte, kämpfte er nun nicht nur gegen Luzifers Krieger, sondern auch gegen seine eigenen Leute. Er wurde stark bedrängt und hatte alle Hände voll zu tun, seine Gegner auf Abstand zu halten. Das Schwert schwingend, stieg er immer wieder in die Luft auf, wirbelte herum, fuhr auf seine Gegner herab oder ließ sich zur Seite gleiten. Sie versuchten, ihn auf den Boden zu zwingen, um ihn von allen Seiten und von oben in die Mangel nehmen zu können, doch Akashiel war geschickt genug, sich ihren Manövern immer wieder zu entziehen. Er schlugseine Gegner zurück. Zwei wurden von Luzifers Männern abgelenkt, sodass sich nun nur noch ein Engel vor ihm befand. In einem steten Rhythmus aus Schlag und Abwehr tanzten die geflügelten Wesen einen Tanz, der so alt war wie die Zeit selbst. So brutal der Kampf auch sein mochte, ihre Bewegungen waren doch voller Anmut und überraschender Schönheit. Zumindest bis zu dem Augenblick, als sich in Akashiels Rücken ein weiterer Krieger näherte. Diesen Hieb würde er nicht abwehren können – nicht, ohne seinem anderen Gegner die Deckung zu öffnen. Ich wollte einen Warnschrei ausstoßen, da der Engel in Akashiels Rücken das Schwert hob, und verstummte abrupt, als sich Kyriel dazwischenwarf und die Klinge mit seiner eigenen Waffe abfing. Rücken an Rücken standen Engel und Gefallener jetzt ihren Gegnern gegenüber – ein Anblick, wie er kaum überraschender hätte sein können.
Obwohl es mir schwerfiel, meinen Blick von Akashiel abzuwenden und nicht zu wissen, wie es ihm erging, zwang ich meine Aufmerksamkeit auf die Felswand im Zentrum der Kammer. Sobald sich meine Augen auf die gefangenen Riesen richteten, deren Körper sich wie ein gewaltiges Relief vom Stein abhoben, wurde ich erneut von fremden Gefühlen durchflutet. Angst, gepaart mit vorsichtiger Erwartung, kroch mir unter die Haut und berührten mein Innerstes.
Am einen Ende der Wand, neben der äußersten der zwölf Gestalten, ragte ein zerklüfteter Felsen empor. Ich rannte hinüber, sorgfältig darauf bedacht, einen großen Bogen um die Kämpfenden zu machen. Auf ihre eigenen Gefechte konzentriert, schienen sie nicht einmal zu bemerken, dass ich zurück war. Ich umrundete den zerklüfteten Felsen, bis ich eine den Kämpfen abgewandte Seite erreichte, und machte mich an den Aufstieg. Die kleinen Spalten und Vorsprünge machten es leicht, die Wand zu erklimmen, sodassich nach kurzer Zeit oben ankam. Ich schwang ein Bein über die Kante, zog mich auf das kleine Plateau und hielt geduckt inne, um mir einen Überblick zu verschaffen. Die Kämpfe gingen in unvermindertem Maße weiter, und sosehr ich mich auch bemühte, wollte es mir nicht gelingen, herauszufinden, welche Seite in der Übermacht war. Für mich war das Ganze ein undurchschaubares tödliches Durcheinander.
Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf die Wand.
Nicht einmal eine Armlänge entfernt, ragte das Gesicht eines Nephilim aus dem Fels – in grimmiger Wut erstarrt, die Züge grobschlächtig, die wulstigen Augenbrauen zusammengezogen. Selbst im toten Stein glaubte ich, das Feuer des Hasses in seinen Augen lodern zu sehen.
Ich streckte die Hand nach seiner Wange aus, ohne sie zu berühren. Sie strahlte wilden, brennenden Zorn ab, wie ich ihn in meinen Träumen verspürt hatte, doch darunter lag noch so viel mehr verborgen. Gefühle strömten aus dem Stein, drangen wie glühende
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