Rebellion Der Engel
bestätigte er und zog die Hand zurück.
Ich stieß den Atem aus. »Hört auf zu kämpfen«, flüsterte ich und wusste, dass er mich dennoch verstand. Ich spürte sein Interesse, ebenso wie das seiner Gefährten. Sie alle waren begierig darauf zu hören, was ich zu sagen hatte. Unglücklicherweise wusste ich nicht, was ich ihnen anbieten konnte. Wo sollten Wesen wie sie leben? Und was für ein Leben sollte das sein? Diese Welt war Tausende von Jahren von jener entfernt, die sie einst gekannt hatten. Es gab kaum einen Ort, den die Menschen nicht erreichen und an dem sich die Nephilim verbergen konnten.
Du hast genug getan, vernahm ich plötzlich eine Stimme in meinem Kopf. Lass mich durch dich sprechen.
Neue Hoffnung durchflutete mich, gepaart mit einer Wärme, die die Verzweiflung, Ratlosigkeit und Angst, die mich bis eben noch erfüllt hatten, verdrängte. Gleißendes Licht hüllte mich ein und durchdrang mich mit seiner Macht – einer Macht, wie ich sie niemals zuvor verspürt hatte. Sie drängte mich dazu, mich zu erheben. Gelenkt wie eine Marionette, die an den Fäden eines Puppenspielers tanzte, folgte ich dem Drang und richtete mich kerzengerade auf. Mein Handeln mochte fremdbestimmt sein, doch es fühlte sich gut und richtig an.
»Eure Taten seien euch vergeben.« Es war meine Stimme. Die Worte kamen über meine Lippen, doch ich war es nicht, die sie formte. »Es ist an der Zeit für euch, nach Hause zu kommen. Begrabt euren Groll und vergebt, wie auch euch vergeben wird.«
Die Nephilim wechselten lange Blicke. Sie verständigten sich wortlos, womöglich über Gedanken und Gefühle, wie auch ich sie zuvor von ihnen empfangen hatte. Ich versuchte ihre Stimmung aufzufangen, doch es gelang mir nicht. Vielleicht blockierte das Wesen, das mich als sein Sprachrohr benutzte, meine Fähigkeit, sie zu verstehen.
Als sie sich mir – uns – schließlich wieder zuwandten, deutete ihr Anführer auf mich. »Was mit Nachfahren?«
»Ihnen wird nichts geschehen«, sprach die Wesenheit durch mich. Worte, die ich mit Erleichterung aufnahm. Keine weiteren Todesschwadronen. Dazu bestand auch keine Notwendigkeit mehr, wenn die Riesen der Vorzeit keine Gefahr mehr darstellten. »Sie können ihr Leben führen, wie sie es möchten.«
Der Riese nickte. »Dann wir gehen.«
Das Wesen, das mich als sein Sprachrohr benutzt hatte, verließ meinen Körper und mit ihm ging auch die Wärme, die mich erfüllt hatte. Eine Leere durchdrang mich und füreinen Moment bereitete mir der Verlust beinahe körperlichen Schmerz – den ich vergaß, als ich das Licht sah. Ein strahlender Schein, der seinen Ursprung unter der Höhlendecke nahm und sich von dort aus immer weiter ausbreitete, bis er sich über die komplette Kuppel erstreckte. Geblendet schirmte ich mir die Augen mit der Hand ab und sah zu, wie sich das Licht nach unten bis zu den Riesen ausdehnte. Ein goldenes Strahlen hüllte sie ein, verlieh ihren groben Umrissen etwas Zerbrechliches, das sie beinahe menschlich wirken ließ. Ihr Anführer, der, den ich berührt hatte, um sie aus dem Stein zu befreien, lächelte mich an. Das Licht zog sich langsam zurück und mit ihm verschwanden die Nephilim. Ihre Konturen zerflossen, die Körper wurden durchscheinend, während sich ihre Leiber vom Boden lösten und in die Luft aufstiegen. Das Licht verflüchtigte sich unter der Höhlendecke, und als es erloschen war, waren auch die Riesen fort.
Ich starrte noch immer auf die Stelle, an der ich die Nephilim zuletzt gesehen hatte, und konnte nicht fassen, was geschehen war. Ich hatte den Tod eines Engels auf dem Gewissen, beinahe einen Krieg ausgelöst und schließlich einem höheren Wesen als Gefäß gedient.
Meine Knie gaben nach.
Ein Paar kräftige Arme fing mich auf. Verwundert blickte ich in Akashiels Augen, die mich in einer Mischung aus Wut, Sorge und Erleichterung ansahen. Er stellte mich wieder auf die Beine, ließ mich aber nicht los. Seinen Arm um meine Taille geschlungen, zog er mich an sich, bis ich an seiner Schulter lehnte.
»Ich …«, setzte ich an, als er respektvoll den Kopf senkte, seine Aufmerksamkeit auf einen Punkt in meinem Rücken gerichtet. Ohne mich aus seinem Griff zu lösen, drehte ich mich herum. Vor uns schwebte ein Engel in schimmernderRüstung, die Schwingen ausgebreitet. Ein altersloses Wesen von ätherischer Schönheit, dessen bloße Gegenwart Macht ausstrahlte – eine Macht, wie sie mich vorhin durchdrungen hatte.
40
D as ist der Erzengel Uriel«,
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