Rebellion Der Engel
raunte mir Akashiel ins Ohr und zum ersten Mal glaubte ich so etwas wie Ehrfurcht in ihm zu spüren. »Das Sprachrohr des Chefs.«
»Des Hirten «, korrigierte der Erzengel ihn. Das amüsierte Glitzern in seinen Augen überwog den sanften Tadel in seiner Stimme. Als er sich mir zuwandte, lag ein Lächeln auf seinen Lippen, das ihn weise und gütig erscheinen ließ. »Der Hirte hat durch mich und letztlich auch durch dich gesprochen und seine verlorenen Söhne nach Hause geholt.«
»Es tut mir leid«, flüsterte ich unter Tränen. »Ich habe diese Prophezeiung erfüllt und um ein Haar alles zerstört.«
Das Lächeln des Erzengels verlor nichts von seiner Wärme. »Der Hirte wusste, dass das eines Tages geschehen würde, und er war bereit, dem Schicksal seinen Lauf zu lassen, darauf vertrauend, dass Gnade und Vergebung mehr wiegen als Zorn und der Wunsch nach Vergeltung.«
»Aber meinetwegen ist ein Engel gestorben.« Ich glaubte noch immer, das Knacken der Knochen zu hören, als der Nephilim den Engel entzweigebrochen hatte. Der Hirte allein wusste, wie viele bereits in den Kämpfen davor zwischen Engeln und Gefallenen ums Leben gekommen waren.
Uriel schüttelte den Kopf. »Seine Seele ist in eine andere Sphäre aufgestiegen. Mach dir keine Sorgen, Kind, dort geht es ihm gut. Er wusste, wofür er kämpfte, und er warbereit, alles dafür zu geben. Sein Andenken lebt auf ewig in uns weiter.«
»Aber …«
»Dieser Kampf tobt schon sehr viel länger«, fuhr er fort. »Und es gab auch früher schon Verluste – auf beiden Seiten. Dein Handeln mag den Krieg nicht beendet haben, doch es hat Luzifer um eine entscheidende Chance gebracht. Es wird lange dauern, ehe er sich erneut gegen uns erheben kann, und das verdanken wir dir.«
Ich wollte ihm gern glauben, doch bei allem, was ich in den letzten vierundzwanzig Stunden erlebt hatte, fiel es mir schwer, weitere Informationen zu verarbeiten. Es würde eine Weile dauern, das alles zu verdauen.
»Schon bald wird jeder wissen, dass von den Riesen der Vorzeit keine Gefahr mehr droht. Wer auch immer Engel aussandte, um Nephilim zu töten, hatte keine Veranlassung mehr für weiteres Morden.« Er kniff die Augen zusammen, was ihn erstaunlich menschlich wirken ließ. »Es ist nur bedauerlich, dass wir nicht wissen, wer hinter alldem steckt.«
Ich hätte es ihm sagen können – verdammt: Ich wollte es ihm sagen –, doch Michaels Bann wirkte noch immer. Ich konnte Uriel nicht einmal sagen, dass er mein Vater war, ganz zu schweigen davon, welche Rolle er gespielt hatte. Vielleicht würde ich eines Tages einen Weg finden, die Macht zu durchbrechen, die mich am Reden hinderte. Heute jedoch blieb ich stumm.
»Du und deinesgleichen haben nichts mehr zu befürchten.« Er hielt mir die Hand entgegen. »Lass uns gehen.«
Akashiels Griff um meinen Arm verkrampfte sich, sein ganzer Körper erstarrte in Anspannung. Die Veränderung in seiner Haltung machte mich misstrauisch.
»Wohin?«, wollte ich wissen.
Der Erzengel hob den Blick nach oben. »In dein neuesZuhause. Es ist an der Zeit, dass du deinen Platz unter uns einnimmst.«
Ich konnte ihn nur anstarren. Mir hatte schon der Gedanke nicht gefallen, mich vor meinen Verfolgern in einer Höhle verstecken zu müssen und nicht zu wissen, wie lange ich meine Freunde nicht mehr sehen würde. Und jetzt sollte ich die Erde gleich ganz verlassen? Ich schüttelte den Kopf. »Mein Platz ist hier.«
Einen Moment lang fürchtete ich, Uriel würde meine Entscheidung nicht akzeptieren. Dann nickte er. »Du kannst deine Meinung jederzeit ändern. – Entschuldige mich, es gibt noch jemanden, mit dem ich sprechen muss.«
Statt seine Schwingen auszubreiten und vom Felsen herabzuschweben, versetzte er sich einfach nach unten. Die Höhle war leer geworden. Japhaels Krieger standen in einer Reihe, ihre Haltung von Ehrfurcht durchdrungen, doch Luzifers Krieger waren fort.
Bis auf Kyriel. Er zuckte nicht einmal, als sich der Erzengel vor ihm materialisierte.
»Warum ist er noch hier?«, fragte ich Akashiel.
»Wer weiß schon, was in ihm vorgeht.«
Gespannt, welche Strafe den Gefallenen erwarten mochte, beobachtete ich, wie Uriel vor ihn trat. »Knie nieder, Kyriel Seelenfänger.«
Misstrauisch folgte Kyriel der Aufforderung und beugte das Knie. Der Erzengel hob den Arm. Seine Hand verharrte über dem gesenkten Haupt des Gefallenen. Ein Strahlen hüllte die beiden ein. Etwas geschah. Im ersten Moment war mir nicht klar, was. Dann jedoch sah ich,
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