Rebellion Der Engel
ihr so schlecht, dass er mir nicht einmal versichern wollte, dass sie wieder gesund werden würde? War es nicht die Aufgabe eines Arztes, den Menschen Mut und Hoffnung zu machen? Der Kerl schien davon noch nichts gehört zu haben. Er legte die Spritze zur Seite, half Amber auf die Ladekante und legte sie im Inneren des Wagens auf eine Trage. Ehe ich einsteigen konnte, schloss er die Türen vor meiner Nase und sperrte mich aus. Zehn Sekunden später fuhr der Wagen an und Amber war auf dem Weg ins Krankenhaus.
Ich sah mich nach jemandem um, der mich ebenfalls ins Krankenhaus fahren konnte. Abgesehen davon, dass ich vermutlich bald ein Beruhigungsmittel nötig haben würde, wollte ich Amber nicht allein lassen.
»Entschuldigung«, wandte ich mich an den ersten Polizisten, der meinen Weg kreuzte.
Der Mann ging einfach weiter.
Auch, als ich ihn noch einmal ansprach, reagierte er nicht. Er sah mich nicht einmal an. »Wie sieht es aus?«, rief er einem uniformierten Kollegen zu, der am Rand einer größeren Menschenansammlung stand. Dieser drehte sich um und schüttelte lediglich den Kopf.
»Officer?«, versuchte ich es noch einmal, doch er ignorierte mich erneut und ging zu seinem Streifenwagen. »Dein Freund und Helfer«, brummte ich und hielt auf seinen Kollegen zu, der dichter an die Menschentraube herangetreten war und zwischen den Leuten hindurchspähte. Bevor ich mich bemerkbar machen konnte, kam Bewegung in die Menschen. Sie traten zur Seite und machten einem Sanitäter Platz, der eine Trage an uns vorbei ins Zentrum der Menschenansammlung schob.
Da sah ich es.
Mich.
Umringt von Menschen und Sanitätern lag ich auf dem Boden, den Arm unnatürlich verrenkt, Kopf und Körper voller blutiger Schnitte, das Kleid am Oberkörper zerrissen, sodass nur noch der BH meine Blöße bedeckte. Zwei Männer knieten neben mir, einer verpasste mir eine Herzdruckmassage, bei deren bloßem Anblick ich schon meine Rippen knacken hörte, während der andere Luft in meine Nase blies. An der Uni hatte ich einen Kurs in Erster Hilfe besucht und schon damals hatte ich die Vorstellung, einen Fremden beatmen zu müssen, ekelhaft gefunden – zu sehen, wie ich selbst beatmet wurde, war nicht viel besser.
Ein hoher Summton erklang, dann rief jemand: »Defi bereit!«
»Wie lange wollen die das noch versuchen?«, hörte ich jemanden sagen. »Die ist schon seit Minuten tot.«
Tot? Hatte der einen Dachschaden? Ich stand doch hier und fühlte mich kein bisschen tot. Mein Blick wanderte zu den Sanitätern. Andererseits lag ich dort unten und atmete nicht.
Ich hörte den Schlag, als der Defibrillator seine Ladung abgab, und das Summen, als er erneut aufgeladen wurde – und plötzlich begriff ich, warum Amber so durch den Wind gewesen war und weder der Polizist noch der Sanitäter mit mir gesprochen hatte. Sie konnten mich nicht sehen. Mein Körper lag auf dem Asphalt.
Leblos.
Aber wieso war ich unter einem Baum zu mir gekommen? Und vor allem, welcher Teil von mir war dort zu sich gekommen, wenn ich hier, umringt von Sanitätern, auf dem Seitenstreifen der Interstate lag? Hatte es meine Seele aus meinem Körper katapultiert, als ich gestorben war? War ichüberhaupt tot? Ein Blick auf den angeschlossenen EKG-Monitor und die von einem Dauerpiepton begleitete Nulllinie machte mir wenig Hoffnung, dass es anders sein könnte.
Entsetzt wandte ich mich von meinem reglosen Körper ab und zog mich ein paar Schritte aus der Menge zurück. Niemand berührte mich und niemand sprach mit mir.
Tot.
Für immer futsch.
Kein Wunder, dass mir nichts wehtat. Die Wirkung des Schocks glaubte ich jetzt allerdings zu spüren. Obwohl mir weder kalt noch schlecht war, überkam mich das dringende Bedürfnis, mich zu setzen und den Kopf zwischen die Knie zu stecken.
Ich ging zum Straßenrand. Ehe ich mich jedoch ins Gras fallen lassen konnte, bemerkte ich eine Bewegung am Waldrand. Die Augen zusammengekniffen, starrte ich in die Dunkelheit – und stellte fest, dass sie meine Sicht nicht länger einschränkte. Im Schatten der Bäume stand eine Gestalt. Ein schwarz geflügelter Engel.
»Der Engel des Todes«, flüsterte ich.
Obwohl ich nicht das Bedürfnis verspürte, mein Leben hinter mir zu lassen, ging ich auf ihn zu. Im einen Moment sah ich ihn noch in aller Deutlichkeit vor mir, keine fünfzig Meter entfernt, im nächsten war er verschwunden.
Mein Blick streifte über den Waldrand. Plötzlich fühlte ich mich beobachtet, als wären dort noch andere wie
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