Rebellion des Herzens
selbst es noch einmal versuchen würdest, deine Familie zu finden.«
»Du schuldest mir nichts.«
»Das sehe ich anders.«
»Wie kommt das?« verlangte er zu wissen. »Oder hast du schon vergessen, was ich dir genommen habe?«
»Nein«, sagte sie leise, und ihre Wangen begannen wieder zu glühen. »Aber du bist dir wohl nicht bewußt darüber, was du für meine Eltern getan hast. In jener Nacht, in der sie von dir in der Scheune eingeschlossen wurden, haben sie so etwas wie einen Waffenstillstand geschlossen – wenigstens reden sie jetzt wieder miteinander.«
Angel schnaubte verächtlich. Es war sinnlos, darüber zu diskutieren, wer wem etwas schuldete. »Laß es mich so ausdrücken, Cassie. Ich will nicht, daß du meinetwegen irgendwelche Detektive engagierst, daher habe ich mir die Freiheit genommen, Kirby in deinem Namen zu feuern.«
»Warum denn das?« protestierte sie. »Willst du deine Familie denn nicht finden?«
»Ich will nur wissen, wer meine Eltern waren. Das ist der Grund, warum ich hier bin. Aber ich werde derjenige sein, der das herausfindet, hast du das verstanden?«
»Aber Mr. Kirby könnte dir dabei helfen.«
»In dieser Hinsicht gebe ich dir recht, und das ist auch der Grund, warum er jetzt für mich arbeitet, nicht für dich.«
Ihre Augen verengten sich. »Ich glaube, daß mir deine Anmaßung überhaupt nicht gefällt, Angel.«
»Wie schade.«
»Und was meinst du damit, daß du nur wissen willst, wer sie waren? Du wirst doch zu ihnen gehen, wenn du herausfindest, wo sie jetzt leben?«
»Nein.«
Seine Antwort hatte sie so überrascht, daß sich ihre Wut auf ihn augenblicklich in nichts auflöste. »Warum nicht?«
»Weil wir Fremde für einander sind. An meinen Vater kann ich mich überhaupt nicht erinnern. An meine Mutter erinnere ich mich nur schwach. Ich bezweifle, daß ich sie überhaupt wiedererkennen würde. Und nicht sie war es, die mich aufgezogen hat.«
»Sie hat dich fünf oder sechs Jahre lang gehegt und gepflegt.«
»Und mich dann verloren.«
Sie hörte die Bitterkeit in seiner Stimme laut und deutlich. »Du gibst ihr die Schuld daran? Dieser alte Mann hat dich hoch in die Berge gebracht, wo dich niemand finden konnte. Deine Mutter war wahrscheinlich von Sinnen vor Trauer …«
»Das weißt du nicht.«
»Du aber auch nicht«, fiel sie ihm ins Wort. »Also mußt du es herausfinden. Was kann es schon schaden? Du solltest sie wenigstens wissen lassen, daß du nicht vor all den Jahren gestorben bist. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß sie genau das mittlerweile glaubt.«
»Du mischt dich ja schon wieder ein, Cassie«, sagte er scharf. »Diese Angelegenheit geht dich nichts an.«
»Da hast du absolut recht«, erwiderte sie steif. Ihre Wut loderte wieder auf. »Und dies ist nicht dein Schlafzimmer, also, warum verschwindest du nicht endlich?«
»Endlich mal ein Vorschlag, dem ich gerne zustimme«, gab er ärgerlich zurück, während er die Decke von sich warf und seine Hose vom Fußboden aufhob. »Und laß dir eines gesagt sein. Sieh zu, daß du nach Hause kommst, wenn du nicht willst, daß ich den Ersatzschlüssel für dieses Zimmer wieder benutze.«
»Ich werde morgen früh weg sein«, versicherte Cassie ihm.
»Es ist morgen.«
»Dann heute nachmittag.«
»Gut!« sagte er und beugte sich vor, um ihr einen harten, unerwarteten Kuß auf die Lippen zu drücken, bevor er den Rest seiner Sachen an sich riß und verschwand.
Cassie starrte das schwarze Halstuch an, das er in seiner Eile, aus ihrem Zimmer wegzukommen, liegengelassen hatte, weil es halb von der Decke verdeckt gewesen war. Sie griff danach und hob es an ihre Lippen, die noch immer feucht von seinem Kuß waren.
Also hatte sie ihn wieder einmal in Wut gebracht, obwohl das ja mittlerweile nichts Neues war. Aus irgendeinem Grund schien es ihnen beschieden zu sein, sich auf diese Art und Weise zu trennen. Warum also dieser Kuß? Er hatte es ohne nachzudenken getan, so, als sei es einfach eine alte Gewohnheit – als könne er sich nicht dagegen wehren. Und wenn es um ihr Leben gegangen wäre, sie hätte nicht sagen können, was wirklich in ihm vorging.
33
Zuerst wurde ihr Gepäck heruntergebracht und in die Kutsche geladen, die sie zum Bahnhof fahren würde. Angel stellte das nur fest, weil er auf ihre Abfahrt wartete. Fünf Minuten später kamen Cassie und ihre Mutter die Treppe herunter und gingen direkt zum Empfang, um ihre Rechnung zu begleichen. Die Mutter sah aus, als würde sie jedem, der ihr einen
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