Rebellion des Herzens
sich mit überkreuzten Armen dagegen und betrachtete ihn kopfschüttelnd. Sie war nicht wie befohlen auf ihr Zimmer gegangen. Statt dessen hatte sie auf ihn gewartet, um ihm aus dem Hinterhalt aufzulauern. Und genauso fühlte er sich jetzt, als sei er in einen Hinterhalt geraten.
Lächelnd erinnerte sie ihn: »Sie haben mir keine Antwort gegeben.«
»Keine Antwort worauf?«
»Ob Sie mein Bruder sind.«
»Und wenn es so wäre?«
»Ich weiß, daß Sie es sind.«
»Woher?«
»Weil ich möchte, daß Sie es sind«, sagte sie einfach. »Also kann ich nicht erlauben, daß Sie weggehen. Mutter würde sich sehr darüber aufregen, wenn ich das täte.«
»Sie ist schon aufgeregt genug.«
»Das ist noch gar nichts. Sie wird das ganze Haus zusammenschreien, wenn Sie jetzt durch diese Tür gehen.«
»Sie schreit nicht.«
Katey lächelte wieder. »Wenn man Sean und Patrick Glauben schenkt, tut sie das sehr wohl. Das sind meine Brüder – Ihre Brüder. Die beiden würden es mir auch nie verzeihen, wenn ich Sie gehen ließe, bevor sie Sie kennenlernen konnten.«
»Du glaubst wirklich, daß du mich aufhalten kannst, Kleines?«
»Ich vielleicht nicht, aber sie.«.
Sie wies mit dem Kopf auf jemanden, der hinter ihm stand. Er drehte sich um und entdeckte seine Mutter an der Tür zum Salon, wie sie sich mit einer Hand am Türrahmen festhielt und die andere auf ihr Herz preßte. Sie war noch immer leichenblaß. Ihr Mann stand hinter ihr, bereit, sie aufzufangen für den Fall, daß sie doch noch in Ohnmacht fiele.
Sie sah zerbrechlich genug aus, um zusammenzubrechen, aber ihre Stimme war fest, beinahe anklagend, als sie sagte: »Ich glaube an Kobolde wie auch an Geister, aber du bist nicht Cawlins Geist, oder?«
»Nein.«
Plötzlich standen Tränen in ihren Augen. »O Gott – Angel?«
Er wagte es nicht einmal zu atmen. Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern ging auf ihn zu, ganz langsam. Durch den Schleier der Tränen, die jetzt unkontrolliert über ihr Gesicht strömten, verschlang sie jeden Zoll von ihm mit ihren Blicken. Dann lagen ihre Hände auf seinem Gesicht, seinen Schultern, seinen Armen, wie um sicherzugehen, daß er wirklich da war. Schließlich schlang sie ihre Arme um seine Taille und hielt ihn fest, während sie ihren Kopf an seine Brust sinken ließ und nun ernstlich zu weinen begann.
Angel war genauso hilflos wie damals, als Cassie ihm das angetan hatte, nur daß er diesmal gegen die Feuchtigkeit ankämpfen mußte, die sich in seinen eigenen Augen bildete. Er zögerte ein paar unerträglich lange Augenblicke, bevor seine Arme sich hoben, um sie zu umfangen, wahrscheinlich zu fest, aber sie beklagte sich nicht.
Über ihren Kopf hinweg sah er ihren Mann an. Der war im Augenblick ausgesprochen verlegen, aber nicht, weil seine Frau so ungehemmt ihre Gefühle zeigte.
»Es tut mir leid …«, begann Winston.
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, sagte Angel. »Ich glaube, es hätte mir gar nicht gefallen, wenn einer von diesen anderen Angels es geschafft hätte, sie davon zu überzeugen, er wäre ich.«
»Anna sagte, Sie hätten damals Ihrem Vater so ähnlich gesehen, daß Sie als Erwachsener einfach sein Abbild sein müßten.«
»Ich kann mich nicht an ihn erinnern«, gab Angel zu.
Als sie das hörte, weinte Anna noch heftiger. Lächernd stellte Winston sich hinter sie und legte seine Hände auf ihre Schultern. »Anna, laß ihn jetzt los«, bat er.
»Niemals!« sagte sie wild und drückte Angel noch fester an sich. »Und ich will wissen, warum du so lange gebraucht hast, Bürschchen, um nach Hause zu kommen.«
»Das ist eine lange Geschichte.«
Sie sah zu ihm auf. »Nun, da du erst mal nirgendwo hingehst, hast du genug Zeit, um sie zu erzählen.«
Da hatte sie wohl recht, aber Angel wußte, daß er ihr niemals alles davon erzählen würde. Und jetzt, da die Spannung langsam von ihm wich, hätte er am liebsten laut gelacht. Ein Zuhause. Endlich besaß er eines. Und eine Familie. Er gab dem Drang nach und begann zu lachen.
35
Catherine und Cassie kamen gerade rechtzeitig nach Hause, um zu Colt Thunders Hochzeit am Ende des Monats eingeladen zu werden. Seine Schwester Jessie hatte sie schon seit einigen Wochen geplant. Wenn man den Gerüchten, die sie von ihrer Haushälterin Louella hörten, Glauben schenken durfte, hatte Colt ein ziemliches Theater gemacht, weil er eigentlich kein großes Tamtam um seine Hochzeit wollte. Er hatte vor, sie einfach nur schnell hinter sich zu bringen,
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