Rebellion des Herzens
er nachdenken sollen, bevor er sich eine Hochzeitsnacht gönnte.«
Cassie lehnte sich verwirrt zurück. Warum konnte sie nicht auch so denken? Nun, sie wußte es. Jessie war nicht der Typ, der sich von irgend jemandem überrennen ließ, ohne zurückzuschlagen, aber es gehörte schon einiges dazu, bevor sie, Cassie, es auch nur in Erwägung ziehen konnte, so etwas zu tun.
Sie hatte sogar bereits versucht, ihre Wut auf Angel wieder zu schüren, an all die Dinge zu denken, die sie an ihm störten, sich auch an ihre letzte Begegnung zu erinnern -oder wenigstens daran, wie sie geendet hatte. Wenn sie wütend auf ihn wäre, könnte sie vielleicht launenhaft genug sein, ihn noch ein wenig auf diese Scheidung warten zu lassen. Sie hatte jedoch noch nicht darüber nachgedacht, sich überhaupt nicht scheiden zu lassen.
Hilflos sah sie Jessie an. »Ich glaube, das könnte ich ihm nicht antun.«
Jessie schüttelte den Kopf. »Er hatte keinerlei Skrupel, eure Hochzeit legal zu machen. Ich an deiner Stelle hätte genausowenig Skrupel, es dabei zu belassen – wenn es das wäre, was ich wirklich wollte. Wenn es nicht das ist, was du willst, Cassie, dann los – laß dich von ihm scheiden.«
Aber es war ja das, was sie wollte. Sie zweifelte nicht länger daran. Ihre Zweifel galten vielmehr der Frage, ob es klug wäre, zu versuchen, das, was sie wollte, von einem Mann wie Angel zu bekommen.
36
Jocelyn Fleming, Herzoginwitwe von Eaton, achtete nicht im geringsten auf das flammendrote Haar, das sie bürstete. Sie beobachtete im Spiegel ihres Schminktäschchens ihren Geliebten. Er saß auf dem Bett, in dem sie gerade eine sehr vergnügliche Stunde verbracht hatten, und spielte mit einem Stück Papier herum. Er hatte sich bereits angezogen, auf die für ihn typische nachlässige Art: enge schwarze Hosen, blaues Hemd, rotes Halstuch – und kniehohe Mokassins. Seine gefranste Wildlederjacke hing über dem Bettpfosten. Er würde sie heute abend nicht mehr brauchen, denn seine Schwester und ihr Mann kamen zum Dinner herüber. Genaugenommen würden sie wohl in Kürze erscheinen. Sie fragte sich, und das nicht zum ersten Mal, ob sie es wohl schaffen würde, ihn für ihre Hochzeit in einen Anzug stecken zu können. Eigentlich hatte sie ernsthafte Zweifel daran. Außerdem fragte sie sich, ob er sich wohl jemals wieder sein mehr als schulterlanges schwarzes Haar schneiden lassen würde. Das letzte Mal, als er es kurz getragen hatte, war er beinahe zu Tode gepeitscht worden – auf der Veranda seiner eigenen Ranch.
Es schmerzte sie noch immer jedesmal, wenn sie seine Narben sah, und er verbarg sie nicht länger vor ihr. Sie hatte bereits beschlossen, daß sie ihn nie darum bitten würde, sich die Haare schneiden zu lassen, da er sie mit Absicht so lang trug, damit niemals wieder jemand daran zweifeln konnte, daß er ein Halbblut war. Die Entscheidung darüber lag ganz allein bei ihm – wann und ob er jemals diese alte Bitterkeit überwinden würde.
Es gefiel ihr, sich einzubilden, daß sie ihm dabei helfen konnte. Zumindest ähnelte er jetzt wieder mehr dem glücklichen, zufriedenen Mann, den seine Schwester ihr beschrieben hatte, statt dem verdrossenen, beinahe wilden Typ, den sie mit einem Trick dazu gebracht hatte, sie nach Wyoming zu begleiten. Bis zu ihrem Todestag würde sie niemals vergessen, was für ein Gesicht er gemacht hatte, als sie auf seinen Bluff eingegangen war und sich einverstanden erklärt hatte, ihm fünfzigtausend Dollar für seine Dienste zu bezahlen. Das Geld des lieben Edward hatte ihr nie zuvor soviel Vergnügen bereitet wie an jenem Tag.
»Na schön, ich geb's auf, Colt«, sagte Jocelyn und lenkte damit den Blick seiner hellblauen Augen auf ihren Spiegel. »Ich kann meine Neugier einfach nicht mehr bezähmen, also sag mir bitte, was ist das, was du da in der Hand hast?«
»Dieser verdammte Brief von Angel.«
»Wann hast du ihn bekommen?«
»Als ich heute morgen in die Stadt geritten bin. Und man kann es eigentlich nicht mal einen Brief nennen. Zwei verdammte Sätze, das ist alles, was er geschrieben hat, obwohl ich mich darüber wirklich nicht beschweren kann, da er wahrscheinlich jemanden bitten mußte, es für ihn aufzuschreiben, und er hat noch nie viele Umschweife gemacht.«
Sie hob eine Augenbraue. »Versuchst du etwa, mein Mitleid zu erregen, weil dieser verabscheuungswürdige Freund von dir nicht schreiben kann?«
»Ich habe ihn nie gefragt, ob er es kann, aber ich habe so meine Zweifel daran,
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