Rebellion des Herzens
Entschuldigung nach der anderen, um an diesem Tag nicht das Haus verlassen zu müssen. Sie zettelte einen Frühjahrsputz im Dezember an, der Maria dazu brachte, mit der Zunge zu schnalzen und leise vor sich hin zu schimpfen. Sie überprüfte alle Vorräte. Sie schrieb noch einen weiteren Brief an ihre Mutter, um ihr von Angel zu erzählen, den sie anschließend sogleich wieder zerriß. Ihre Mutter brauchte nun wirklich nicht zu wissen, daß ein berüchtigter Revolverheld in Rufweite ihrer Tochter lebte. Nichts würde sie schneller nach Texas bringen als eine solche Mitteilung. Und wenn auch die strenge, sachliche Art und Weise, wie ihre Mutter an Probleme heranging, genau das sein mochte, was im Augenblick notwendig war, so war Cassie doch fest entschlossen, diesmal ihre Schwierigkeiten allein zu meistern.
Zu diesen Schwierigkeiten kam jetzt jedoch noch eine neue Verwicklung hinzu, die sie selbst gestern nacht verursacht hatte – ihr eigenes Benehmen. Ihr eigenes liederliches Benehmen. Im hellen Tageslicht fand sie es entsetzlich demütigend, daß sie einfach passiv geblieben war, als Angel sich solche Freiheiten bei ihr herausgenommen hatte. Nun ja, er schien sie zu begehren, und das hatte ihr geschmeichelt, außerordentlich geschmeichelt, denn schließlich hatte er klipp und klar gesagt, daß er kein Interesse an einer Ranch habe. Einmal also hatte die Lazy S nichts damit zu tun, daß ein Mann sie anziehend fand.
Das war natürlich keine Entschuldigung. Ebensowenig wie die Tatsache, daß ihr diese Erfahrung ein solches Vergnügen bereitet hatte. Sie wußte es besser, wußte genau, welches Benehmen sich schickte und welches nicht. Außerdem war es völlig absurd, in Angel auch nur einen Augenblick lang einen Mann zu sehen, mit dem sie vielleicht eine Zukunft haben könnte. Er war unberechenbar, gefährlich und ein Einzelgänger. Wenn er sie begehrenswert fand, dann war es nur für den Augenblick, und Cassie wußte, wie solche Dinge endeten. Überall im Süden und im Westen des Landes gab es Saloons voller Frauen, die einer solchen Leidenschaft des Augenblicks nachgegeben hatten.
Sie konnte sich nicht vorstellen, was er jetzt von ihr dachte, nachdem sie sich wie eine alte Jungfer betragen hatte, die noch nach dem winzigsten Krümelchen Zuneigung hungerte. Am besten war es wohl, wenn sie sich so verhielt, als sei überhaupt nichts geschehen. Außerdem hatte er gesagt, es würde nie mehr vorkommen. Wahrscheinlich wollte er den Vorfall genauso schnell vergessen wie sie – aber sie wußte, daß ihr das niemals gelingen würde. Wenn sie alt und grau wäre und schon Enkelkinder hätte – hoffentlich –, würde sie sich immer noch an Angels Hand auf ihrer Brust erinnern.
Ihr selbstgewählter Hausarrest mit dem Ziel, Angel aus dem Weg zu gehen, funktionierte so lange, bis er am Spätnachmittag mit seinen Satteltaschen über der Schulter an der Tür auftauchte.
»Ich habe darüber nachgedacht«, waren seine ersten Worte, als er an ihr vorbei in die Eingangshalle ging. »Ich ziehe hier ein.«
Ungläubig starrte sie ihn an. »Was?«
Er ging einfach weiter und blieb erst stehen, als er an der Treppe angekommen war, wo er sich zu ihr umsah. Und ganz so, als würde er sie nicht zu Tode damit erschrecken, sagte er: »Geben Sie mir das Zimmer, das dem Ihren am nächsten liegt, ganz egal, welches.«
Cassie rührte sich nicht. Sie hatte sich darauf gefaßt gemacht, daß diese erste Begegnung mit ihm nach der gestrigen Nacht ein wenig peinlich werden konnte, aber es war ihm gelungen, sie dieses Ereignis für den Augenblick vollkommen vergessen zu lassen.
»Das kommt gar nicht in Frage«, erklärte sie ihm mit großem Nachdruck. »Sie können nicht …«
»Tun Sie es einfach«, unterbrach er sie mit derselben Nachdrücklichkeit, ließ sich jedoch dazu erweichen, ihr sein Vorhaben zu erklären. »Slater hat die Stadt verlassen. Solange ich nicht höre, daß er auch Texas verlassen hat oder tot ist, werde ich keine Risiken mehr eingehen. Ich will Sie schnarchen hören können.«
»Was?«
Seine Lippen zuckten ein wenig, weil ihre Augen so groß und rund geworden waren. »Nur eine Redensart, Lady, aber Sie verstehen schon, was ich meine. Wenn Sie mich brauchen, egal wann, dann will ich nahe genug sein, um es zu wissen.«
Ihr Gesicht hellte sich auf angesichts der Doppeldeutigkeit, die sie aus seinen Worten heraushörte, auch wenn sie sicher war, daß er das nicht beabsichtigt hatte – was sie nur um so mehr in Verlegenheit
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