Rebellion des Herzens
eigentlich nicht. Als ich das erste Mal hierher kam, mußte ich allen Leuten klarmachen, daß Marabelle harmlos ist. Die Leute neigen dazu, sich zu ärgern, wenn sie sich erst erschrecken und nachher herausfinden, daß es gar keinen Grund dafür gab.«
»Jetzt, wo Sie es sagen – es hat wirklich nicht so ausgesehen, als hätte sie das Fleisch auch nur angerührt. Sie hat statt dessen an meiner Tür gekratzt und mich zu Tode erschreckt, als ich aufmachte. Doch dann ist sie wie der Blitz wieder zum Haus zurückgelaufen. Ich hätte mir nichts dabei gedacht, wenn sie nicht an einem Pferd vorbeigekommen wäre. Es war an der hinteren Veranda festgemacht und hatte eindeutig nicht dagestanden, als ich das Haus verließ.«
»Ich bin froh, daß Ihnen das aufgefallen ist.«
Er nickte unbehaglich. Situationen wie diese lagen jenseits seiner Erfahrungen.
»Wenn er so betrunken ist, wie Sie sagen, dann wird er leicht zu finden sein«, sagte Angel.
»So betrunken war er nun auch nicht, und ich wünschte, Sie würden nicht weggehen. Ich kann bestimmt nicht mehr einschlafen, es sei denn, ich weiß, daß Sie in meiner Nähe sind.«
»Keine Angst, Sie werden schon wieder einschlafen. Sie müssen nur …«
»Bitte, Angel.«
Noch bevor sie seinen Namen ganz über die Lippen gebracht hatte, fing sie an zu weinen, und das war keineswegs nur ein Täuschungsmanöver. Bei dem Gedanken, er könne das Haus verlassen, geriet sie tatsächlich in Panik.
»0 nein, bitte tun Sie das nicht.«
Sie hörte nicht auf ihn. Ein Teil ihres Gesichts wurde nun von ihrem offenen Haar verdeckt, der andere von ihren Händen. Sie hatte ihr Nachthemd schon wieder vergessen, aber die übereinander liegenden Ränder des Stoffes blieben geschlossen. »Nun kommen Sie schon, hören Sie auf damit.« Er versuchte es noch mal, aber sie weinte einfach nur noch lauter. »Ach, zum Teufel …«
Cassie war überrascht, als sie plötzlich seine Arme um sich spürte. Das war es nicht, was sie hatte erreichen wollen, aber sie konnte nicht leugnen, daß es ihr gefiel.
Angel sagte nichts mehr, sondern hielt sie nur unbeholfen fest. Gut, das war durchaus in Ordnung. Wenigstens würde er sich jetzt nicht mehr auf den Weg machen, um Blut zu vergießen – oder zu riskieren, daß ein anderer seines vergoß. Und nach einer Weile fielen ihre Hände auf seine Hüften herunter, und sie legte ihre nasse Wange an seine Brust.
Bis zu diesem Augenblick hatte sie gar nicht bemerkt, daß er sein Hemd weder zugeknöpft noch in seine Hose gesteckt hatte. Sie war zu aufgeregt gewesen, um überhaupt etwas zu bemerken, aber es war nackte Haut, an die sie jetzt ihr Gesicht drückte.
Natürlich hätte sie sich sofort zurückziehen müssen. Das wäre die einzig schickliche Verhaltensweise gewesen. Aber gerade das wollte sie nicht, da sie sich im Moment eigentlich besonders wohl fühlte. Was außerordentlich erstaunlich war, wenn man bedachte, daß sie normalerweise in Angels Gegenwart so nervös war. Trotzdem brauchte sie eine Entschuldigung für sein und ihr Verhalten, und diese Entschuldigung existierte nicht mehr, denn ihre Tränen waren getrocknet und bis auf ein leises Schnüffeln versiegt. Daher blieb sie nur noch ein paar Augenblicke stehen, bevor sie seufzte und zu ihm aufsah.
»Es tut mir leid«, sagte sie sanft. »Ich habe, seit diese Sache begonnen hat, kein einziges Mal geweint. Ich nehme an, es war einfach überfällig.«
Sie sahen einander für ein paar lange Sekunden in die Augen, seine so dunkel und unergründlich, ihre wie funkelndes Silber. Plötzlich lag in der Luft eine Spannung, die Cassie den Atem anhalten ließ, während sein Blick sich langsam, sehr langsam auf ihre geöffneten Lippen senkte und dort verharrte.
»Sie entschuldigen sich zuviel«, erwiderte er mit der für ihn typischen Trägheit, kurz bevor sich sein Mund über ihrem schloß.
Dies kam für sie vollkommen unerwartet. Und es war etwas ganz anderes als der Kuß, den sie gestern gegeben hatte. Da war sie in Panik gewesen und hatte Angst gehabt, zurückgewiesen zu werden. Jetzt aber war sie entspannt und offen für eine Fülle von Entdeckungen.
Er begann ganz zaghaft, als sei diesmal er derjenige, der eine Zurückweisung erwartete. Das aber kam ihr nicht einmal in den Sinn, so sehr war sie damit beschäftigt, dieses wunderbare Gefühl auszukosten. Als er nicht einmal den winzigsten Protest von ihr hörte, wurde sein Kuß heftiger. Er teilte ihre Lippen und ließ seine Zunge in ihrem Mund auf eine
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