Rebellion des Herzens
stürzte. »Das ist ausgesprochen unschicklich«, fühlte sie sich gezwungen festzustellen.
»Schicklichkeit spielt keine Rolle, wenn es darum geht, jemanden zu beschützen. Wenn ich nicht glaubte, Sie würden schon bei dem bloßen Vorschlag in Ohnmacht fallen, würde ich direkt in Ihr Zimmer einziehen. Also sprechen Sie nicht noch einmal von Schicklichkeit.«
Ihre Verlegenheit verwandelte sich in Zorn, während sie nur kurz nickte und auf die Treppe zuging. »Folgen Sie mir«, sagte sie und ging an ihm vorbei. Ihre Stimme war genauso steif wie ihr Rücken, und ihre Hände krampften sich um den Stoff ihres Rocks zusammen, um ihn nur ja keinen Millimeter höher zu heben, als es unbedingt notwendig war, um die Treppe hochzusteigen.
Sie führte ihn in das Zimmer neben dem ihren, das zufällig ohnehin leerstand. Sie hatte es als Nähzimmer benutzt.
»Maria ist eine hervorragende Haushälterin, das Bettzeug sollte also sauber sein. Wenn Sie irgend etwas brauchen, können Sie sie für gewöhnlich in der Küche finden. Ich werde Maria davon informieren, daß Sie eingezogen sind.«
»Sie nehmen das viel zu schwer, Lady«, sagte er, jetzt, da er seinen Willen bekommen hatte, in einem ausgesprochen liebenswürdigen Ton. »Sie werden nicht einmal bemerken, daß ich hier bin.« Wie, zum Teufel, sollte ihr das wohl gelingen?
15
Cassie wollte nicht das Risiko eingehen, noch einmal eine solche Kutschfahrt mit Angel zu erleben wie die letzte. Wenn sie sich die Vorräte, die sie brauchte, bringen ließ, würde das zwar zusätzliche Kosten verursachen, aber das wäre nur eine Kleinigkeit im Vergleich dazu, noch einmal Angels Nähe ertragen zu müssen. Es hatte sich als eine Zeitverschwendung erwiesen, ihm zu erklären, daß sie auch ohne seine Begleitung in die Stadt fahren konnte. Er nahm seine Rolle als ihr selbstgewählter Beschützer sehr ernst.
Wenn sie ihr Pferd reiten wollte, mußte sie natürlich den strapazierfähigen Hosenrock anziehen, den sie auf der Weide benutzte, ebenso wie die dazugehörige kurze Jacke aus Hirschleder. Weder ihre eleganten Kleider aus dem Osten noch ihre Haarnadeln paßten zu einem Sattel aus dem Westen. Ihr Waffengürtel paßte jedoch hervorragend. Ausnahmsweise sah er auf ihrer Hüfte einmal nicht so lächerlich aus.
Sie hatte jedoch keinen Gedanken an ihre saloppe Kleidung verschwendet, bis sie bemerkte, daß sie die Leute von Caully anstarrten, als sähen sie sie zum ersten Mal. Und Angel an ihrer Seite zog noch mehr Aufmerksamkeit auf sich. Bei dieser Gelegenheit bekam sie es auch aus erster Hand mit, wie die Menschen auf ihn reagierten. Sie machten einen großen Bogen um ihn. Jeder Laden, den er betrat, leerte sich in Sekundenschnelle. Die Besitzer wie auch ihre Angestellten versuchten, seine Blicke zu meiden, in der Hoffnung, er würde einfach verschwinden, wenn sie ihn ignorierten.
Das hätte für Cassie keine Überraschung sein sollen. Trotz allem, was gestern nacht geschehen war, fühlte sie sich in Angels Gegenwart ebenfalls unbehaglich, ganz besonders, wenn er schwieg, was er getan hatte, seitdem sie heute morgen von der Ranch weggeritten waren. Aus ebendiesem Grund hatte sie auch ihre Kutsche zu Hause gelassen. Dennoch war sie seinetwegen peinlich berührt, als sie sah, wie die Leute ihn behandelten.
Als sie den Krämerladen verließen, brachte sie den Mut auf, das Thema anzuschneiden. »Stört es Sie nicht, daß Sie die Menschen nervös machen, Angel?« Es fiel ihr langsam leichter, seinen Namen auszusprechen, ohne dabei zu erröten.
Er suchte gerade in beiden Richtungen die Straße ab, so daß er sie nicht ansah. »Warum sollte es?«
»Das macht es Ihnen doch sicher schwer, Menschen kennenzulernen.«
Bei diesen Worten sah er sie schließlich doch an. Seine schwarzen Augen verrieten jedoch nichts von seinen Gefühlen. »Wer sagt denn, daß ich das will?«
Sie zuckte mit den Schultern und ließ die Angelegenheit auf sich beruhen. Aber seine Antwort machte sie unerklärlicherweise traurig, ein Umstand, über den sie sich ärgerte. Sie hatte wieder einmal versucht, seine Gefühle zu ergründen. Wahrscheinlich hatte er gar keine. Wahrscheinlich war er innerlich von derselben Eiseskälte, die seine Augen vermuten ließen. Und wenn das so war, warum sollte es ihr etwas ausmachen?
Seine Augen glitten wieder mit einem suchenden Blick über die Straße, eine Gewohnheit, die sie mit seinem Beruf in Verbindung brachte. Aber sie bemerkte auch, daß sein Blick mehr als einmal auf dem
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