Rebellische Herzen
gemein. Die widerspenstigen Löckchen luden ihre Finger zum Glattstreichen ein. Darunter zeugten mächtige Muskeln von seiner Stärke. Mit jedem Atemzug hob und senkte sich seine Brust unter ihrer Handfläche, die nun zum Schlüsselbein hinaufglitt, um sich dann an seinen Hals zu schmiegen. Wie herb die Bartstoppeln ihn plötzlich machten. Fasziniert von dem rauen Gefühl, führte Charlotte ihre Finger nach oben über sein Kinn und berührte sacht und zart seine Lippen. Seine plötzliche Anspannung ließ ihre Kühnheit schwinden – und sie versuchte, ihre Hand wegzuziehen, was er jedoch nicht zuließ. Sie sah den festen Griff, mit dem er sie festhielt, nicht kommen. Sie wusste nur, dass er plötzlich – hatte er das von langer Hand geplant? seinen Arm um ihre Taille geschlungen hatte, um sie ganz an sich zu ziehen und mit ihr auf die Kissen zurückzusinken.
Sie konnte seine Kraft fühlen. Zu groß, um in ihr das Gefühl von Behaglichkeit wecken zu können. Ein Körper, so anders als jeder andere, den sie je gesehen oder angefasst hatte. Sie war sich ihrer Unberührtheit nie zuvor so bewusst gewesen wie jetzt, als sie seinen harten Körper befühlte. Er hatte sie an seine Brust gepresst und sie hätte ihm ins Gesicht sehen können, wenn sie nicht so verängstigt gewesen wäre. Charlotte überlegte verzweifelt, was zu tun war. Wie sollte sie sich ihm entziehen? Wie sollte sie sich selbst nur dazu bringen, dass sie sich ihm entziehen wollte?
»Charlotte.« Sein Atem streichelte ihr Gesicht und seine Hand fasste ihr Kinn, das sie so widerspenstig nach unten drückte. »Schauen Sie mich an.«
Feigheit war ihre Sache nicht. Sie hob den Kopf.
Und erblickte in seinen braunen Augen Bewunderung und etwas anderes … das mehr als bloße Bewunderung war. Etwas Gefährliches. Etwas, das sie nie zuvor gesehen hatte und trotzdem erkannte.
Angst … das war doch Angst? … ließ ihren Unterleib erbeben. Sie würde sich einfach von ihm wegstoßen. Doch er hatte mit seinen Lippen die ihren gefunden, bevor sie diesen Plan in die Tat umsetzen konnte.
In einem Anfall von Wahnsinn hatte sie seine Lippen gestreichelt und ihre Fingerspitzen prickelten noch von dem Gefühl. Und doch war es nichts gewesen im Vergleich zu dem Aufruhr, in den seine seidenen Lippen sie jetzt stürzten. Trocken, warm, zärtlich – und doch unnachgiebig. Mehr als eine Berührung, ein Eingeständnis.
Er hatte die Augen geschlossen und Charlotte gestattete sich, es ihm gleichzutun. Sie konzentrierte sich auf das, was sie fühlte. Die Spannung seiner Muskeln. Die breiten Schultern, die sie mit den Händen umklammert hielt. Doch sobald sie sich mit einer Empfindung vertrauter gemacht hatte, passierte schon wieder etwas anderes. Er hatte seine Hand flach auf ihren Rücken gedrückt und sie noch näher herangezogen. Seine Finger wanderten durch ihr Haar als unternähmen sie einen Beutezug und sie hörte etwas mit leisem Klirren zu Boden fallen. Ihre Haarnadeln!
Plötzlich zog er ein wenig zu stark an ihren Haaren. Sie riss die Augen auf und griff nach seiner Hand. »Autsch!«
»Entschuldigen Sie, bitte«, sagte er noch bevor sie mit ihrem
Autsch
fertig war. Er streichelte ihr sanft den Kopf. »Entschuldigen Sie, bitte. Ich bin so ungeschickt. Charlotte …« Er wollte einen Kuss.
Sie legte ihm die Hand auf den Mund. Und er leckte ihr – aus welchem Grund auch immer – mit der Zungenspitze über die Handfläche.
Schnell riss Charlotte ihre Hand weg und wischte sie an einem der Kissen ab. Aber das feuchte, zärtliche Gefühl, das seine Zunge hinterlassen hatte, ließ sich nicht wegwischen.
Sie war einem Mann noch nie so nahe gewesen. Sie hatte einen Mann noch nie von so nahe betrachtet. Sie musste sich darauf besinnen, dass sie Wynter noch vor ein paar Wochen für einen Barbaren gehalten hatte. Und auch heute Nacht war er anmaßend und rechthaberisch.
Doch er küsste nicht wie ein überheblicher Mann. Er hatte ihr nichts aufgezwungen und sich nicht über sie hinweggesetzt. Er hatte sie geküsst, als sei sie sein Schicksal.
»Charlotte. Noch einmal, bitte.« Er hob ihr Gesicht an.
Wider Willen geschmeichelt, beugte sie sich zu ihm. Es fiel ihr leicht. Er schien ihr schon so vertraut. Die warmen Lippen, seine Haut … sein Geschmack.
Sein Geschmack. Er hatte seine Lippen geöffnet, nur ein wenig, aber genug um … sie das Gleiche tun zu lassen. Sie wusste nicht einmal weshalb. Welcher Wahnsinn trieb sie dazu, ihm entgegenzukommen, welche Neugier zerrte
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