Rebellische Herzen
nicht schmeicheln wollte. Der kauzige Stallbursche war, solange Wynter denken konnte, für die Stallungen verantwortlich und er schätzte seine Meinung sehr.
Außerdem hatte Fletcher Recht. Wynter hatte eine Hand für Pferde und er dankte seinem Schöpfer für die Seelenverwandtschaft mit diesen noblen Tieren. Und er hatte eine Hand für Kamele, auch wenn er nicht wusste, wie ihm dieses Talent derzeit irgendetwas nutzen sollte. »Genau wie meine Kinder«, sagte er.
»Wohl wahr.« Fletcher nickte und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. »Ist 'ne gute Nacht für 'nen ordentlichen Galopp, Mylord.«
Wynter dirigierte Mead nach draußen zur Koppel und achtete darauf, den Boxen, wo die Stuten standen, nicht zu nahe zu kommen. Mead war ein draufgängerischer Hengst und Wynter war durchaus bewusst, wie sehr sie sich hierin ähnelten.
Damals, als Stewarts Brief ihn in EI Bahar erreicht hatte, war er fassungslos gewesen. Mutter hatte geschäftliche Probleme und er verstand bis heute nicht, wie eine Frau, die so geschäftstüchtig war, in so eine Lage hatte kommen können. Er hatte sich sofort zur Rückkehr entschlossen.
Keinen Tag zu früh. Der neue Stammesführer stellte Forderungen, die Wynter nicht erfüllen konnte. Als ihre Karawane am Hafen von EI Wajh eingetroffen war, hatte sich die kleine Familie abgesetzt.
Das Leben in England erwies sich als genauso schwierig, wie Wynter es vorhergesehen hatte, wenn nicht schwieriger. Wenn man einmal von dieser Frau, Charlotte, absah. Welcher Mann hätte wohl mit einer solchen Frau gerechnet? Tugendhaft, mit Wissen vollgestopft und ausgestattet mit entzückenden Grübchen, einem Stupsnäschen und einem Körper, der ihm die Tränen in die Augen trieb. Unter den wirbelnden Schleiern der tanzenden Beduinenmädchen hatte er manch perfekteren Frauenkörper entdeckt, aber Charlottes war der richtige. Sie sah aus, als passte sie.
Aber sie würde sich nicht am Fußende seines Lagers zusammenrollen. Diese Frau verstand rein gar nichts von dem, was die arabischen Mädchen schon mit der Muttermilch einsogen. Seine Leidenschaft hatte sie überrascht und ihre eigene hatte sie in tiefe Verwirrung gestürzt. Sie weigerte sich, das Feuer, das zwischen ihnen beiden loderte, einfach dankbar hinzunehmen.
Kurz gesagt, er würde ihr den Hof machen müssen. Wynter verzog das Gesicht. Machbar war es. Wenn er ihr den richtigen Köder hinhielt, würde sie ihm so leicht folgen wie eine Stute. Aber wie angenehm war es, wenn eine Frau ihrem Mann ohne diesen ganzen Zirkus zu Willen war!
Bevor er Mead seinen Willen ließ, schaute er sich noch einmal zum Haus um und versuchte, Charlottes Fenster zu finden. Er hoffte, ihr Körper würde sich nach seinem sehnen, wie seiner sich nach ihrem.
Im ersten Stock waren fast alle Vorhänge zugezogen. Keine Spur von der schwierigen Frau mit dem roten Haar, die zu sehen er sich sogar aus dieser Entfernung wünschte. Aber im dritten Stock, wo die Bediensteten untergebracht waren, brannte Licht und im Dachgeschoss … Wynter stutzte.
Irgendwer bewegte sich langsam mit einer Kerze durch den Speicher.
Es war gefährlich, dort oben mit offener Flamme zu hantieren und es bestand auch kein Anlass dazu. Falls sie mittlerweile so viele Dienstboten beschäftigten, dass der dritte Stock nicht mehr ausreichte, dann war es an der Zeit, das Personal zu reduzieren. Er würde es dem Wirtschafter morgen sagen.
Aber heute Nacht musste er erst einmal für sich sein. Es war Zeit, auszureiten.
Kapitel 14
Wynter betrat am Arm seiner Mutter Lady Howards überfüllte Soiree.
»Genau genommen dürftest du nicht hier sein, weil du nicht eingeladen bist«, sagte Adorna und winkte einer Bekannten Mit den Fingerspitzen zu.
»Lady Miss Charlotte würde das nicht gutheißen.« So viel wusste Wynter nach mehr als einer Woche nächtlicher Lektionen. Und vieles andere auch. Er wusste, wie süß Charlotte duftete und wie fest und üppig ihr Körper war. Er wusste, dass sie ihn begehrte und keine Ahnung hatte, wie gefährlich ihr das werden oder wohin ihre Lust sie führen konnte. Er wusste all das, seit er sie zum ersten Mal berührt hatte.
»Charlotte ist ein gutes Mädchen, aber eben eine Gouvernante. Eine Gouvernante ohne guten Ruf ist eine Gouvernante ohne Anstellung.«
Adorna lächelte wahllos in die Menschenschar im Salon. Der lang gestreckte, große Raum war von summendem Stimmengewirr erfüllt. Der Geruch der Kerzen vermischte sich mit hundert verschiedenen Duftwässerchen und Adorna
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