Rebellische Herzen
»Wie meinen Sie das, Sie hätten sie vor der Ehe mit einem … ich nehme an, einem Mann bewahrt?«
»Hamal Siham.« Er sprach den Namen so giftig aus, dass Charlotte vor ihm zurückwich. »Dieser Sohn einer Ziege, der nach Barakahs Tod den Stamm anführte. Barakah, mein verehrter Beduinenvater … Hamal war weniger wert als Hasendreck. Er schwelgte in seiner eigenen Dummheit, und wenn ich das Volk nicht in Sicherheit gebracht hätte, wäre es im Sandsturm umgekommen.«
»Dieser Hamal Siham … war er jünger als Sie?«
Wynter verschränkte die Arme. »Viel jünger.«
In all den Jahren als Gouvernante unreifer junger Männer hatte sie Einblick bekommen, was in deren Köpfen vorging. »Sie haben ihn gedemütigt.«
Wynters Akzent verschärfte sich, wenn er sich aufregte. »Auf welche taktvolle Art, frei nach Miss Priss, hätte ich ihm denn sagen sollen, dass er unfähig ist und beinahe hunderte meiner liebsten Freunde ins Verderben gestürzt hätte?«
»Da gibt es keine taktvolle Art. Es wäre vergeblich.«
Er flüsterte fast: »Machen Sie sich über mich lustig?«
Sie antwortete ebenso leise aber vorsichtiger, denn sie glaubte ihn am Rande eines Tobsuchtsanfalls. »Nein, Mylord. Es ist unmöglich, einen Heranwachsenden, dem übermäßige Macht gegeben wurde, zu erziehen. Er spricht mit angemaßter Autorität und hält sich für unbesiegbar, und wehe dem, der ihn in Frage stellt.«
Wynter beobachtete sie wachsam.
»Sie haben die Leute in Sicherheit gebracht. Dafür hasste er Sie – und er versuchte Leila zu heiraten?« Sie brachte es vor Entsetzen kaum fertig, die Worte auszusprechen.
Dieser stinkende Haufen Schafsmist wagte es, von mir zu verlangen, dass ich sie als Zeichen meines guten Willens mit ihm verlobe, und sie ihm zur Frau gebe, sobald sie ihren ersten Monatszyklus haben würde.«
Ihre Bestürzung über seine Not überwältigte ihre Verlegenheit und eingefleischte Förmlichkeit und sie hauchte: »0 Wynter.« Hoffentlich hatte er diese Vertraulichkeit nicht zur Kenntnis genommen. Sie betete, dass er nie wieder die Menstruation erwähnen würde, denn sie hätte es nicht gewagt, ihn
dafür zu
rügen.
Er schien überhört zu haben, dass sie ihn bei seinem Vornamen genannt hatte. »Er hatte schon zwei Frauen.«
Dieses Bekenntnis machte sie sprachlos.
Ach wusste, dass ich nach Hause kommen musste. Meine Mutter brauchte mich. Ich hätte früher nach England zurückkehren sollen, aber ich hielt es für besser, die Kinder wüchsen an der frischen Luft und ohne quälende Einschränkungen auf. Erst Hamal zwang mir die Entscheidung auf, um Leilas willen.« Wynter starrte auf einen Punkt hinter Charlottes rechter Schulter und schien mit sich selbst zu sprechen. »Ich würde meine Tochter niemals einer solchen Kultur ausliefern. Robbie und mir bot das Leben in der Wüste grenzenlose Freiheit. Für Leila war sogar der Damensattel besser.«
Die Gründe für seine Rückkehr waren ihr bislang nicht klar gewesen, auch hatte sie sich nicht vorstellen können, welches Opfer er für seine Tochter gebracht hatte. Sie wollte sich damit aber auch jetzt nicht weiter beschäftigen; sie brauchte diesen Flegel wirklich nicht zu bewundern. »Ich wünschte, Sie könnten Leila davon überzeugen, dass der Damensattel besser ist.«
Als Wynter wieder in die Gegenwart zurückgekehrt war, richtete er einen Blick voll boshaften Vergnügens auf sie. »Das ist unmöglich. Leila ist ein vernünftiges Kind. Sie betrachtet den Damensattel zu Recht als zu unausgeglichen zum Reiten.«
Es war zwecklos darüber zu streiten. Stattdessen lenkte Charlotte seine Aufmerksamkeit auf das Offensichtliche. »Das mag sein, aber es ist die einzige Art, auf die Frauen in England reiten dürfen.«
Sie konnte ihm beinahe zusehen, wie er sich eine Schmeichelei zurechtlegte. Ach kann nicht glauben, dass eine vernünftige Frau sich einer so barbarischen Tortur unterzieht. Die Frau muss sich für ihre Freiheit einsetzen, so zu reiten, wie Gott es für uns alle will – mit einem Bein an jeder Seite des Pferdes.«
Doch sie ging nicht darauf ein. Nicht sie. Niemals. »Mag sein, Mylord. Aber dieser Tag ist noch nicht gekommen und ich werde diese Frau nicht sein. Wenn Sie sich an unsere Diskussion von vorhin erinnern, ich bin in Ungnade gefallen und verstoßen worden. Und ebenso wenig wird man Ihre Tochter im Herrensattel reiten sehen.« Ein schauderhafter Gedanke durchfuhr sie, und sie fügte rasch hinzu: »Erst recht sollte man sie niemals auf dem
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