Rebellische Herzen
zugab, dass sie nicht jede Situation meisterte. Diese Eigenart bezauberte ihn, so wie viele ihrer Eigenarten. Sie war auf dem besten Wege, sich einen Ehering anzuzaubern, obwohl sie behauptete, keinen zu wollen. Sie musste Vertrauen zu ihm haben; er wusste, was das Beste für sie war.
Fletcher sah in den Himmel. »Guter Tag zum Reiten, Mylord. Die Sonne is mächtig rausgekommen und hat alle Pfützen ausgetrocknet.«
Auch Wynter prüfte den Himmel. »Ein schöner Tag«, stimmte er zu. Charlotte beobachtete ihn immer noch wachsam. Er wusste, dass sie befürchtete, seine Hand würde ihren Stiefel hinauf unter ihren Rock schlüpfen. Also fragte er: »Finden Sie nicht auch, dass es ein schöner Tag ist, Lady Miss Charlotte?«
»Ich denke, wir beeilen uns lieber, Lord Ruskin, oder die Zeichenstunde ist vorüber, bevor wir zurückkommen.«
»Das ist sehr wichtig«, stimmte Wynter ihr zu.
Sie hätte sich kaum nüchterner anhören können, als sie sagte: »Kinder lernen besser, wenn sie einen festen Stundenplan haben, Mylord.«
»Ich habe Ihnen in diesem Punkt bereits Recht gegeben«, betonte er.
Ihr Blick traf die Hand auf ihrem Stiefel und sie trieb das Pferd ein wenig an.
Er trat grinsend zurück. »Wir nehmen erst die Hauptstraße, und reiten an der Hecke querfeldein«, rief er.
Sie hob die Hand zum Zeichen, dass sie ihn verstanden hatte und trabte die Auffahrtsstraße hinunter.
»Was denken Sie, Fletcher?«, fragte Wynter.
»Denke, wenn Se nich aufpassen, wern Se des Fohlen 'n Leben lang reiten«, antwortete Fletcher.
Wynter schlug dem Stallknecht auf die Schulter. »Hab ich auch vor.« Er stieg hurtig auf Mead und galoppierte Charlotte hinterher.
Fletcher sah Wynter nach, wie er davonritt und sagte vor sich hin- »Mit'n Pferdn kannst es ja machen, Mylord, aber von Frauen haste kein blassn Schimmer. Wenn die dir erst mal'n paar Kopfnüsse verpasst hat, biste nich' mehr so großspurig. Trau ich mich drauf wetten.«
Wynter hätte Fletchers Prophezeiung verlacht, denn er fühlte sich an diesem Morgen unbesiegbar. Die Sonne schien, die Luft war klar und frisch und er lenkte ein temperamentvolles Tier mittels Sattel und Zaumzeug. Es war ein vollkommener Tag zur Jagd auf die anspruchsvollste Beute.
Er hätte Charlotte leicht einholen können, aber er ließ sich zurückfallen, um sie auf ihrem Pferd beobachten zu können. Ihre mangelnde Übung war sichtbar, aber sie passte sich dem Rhythmus des schnellen Galopps an und gewann an Sicherheit. Sie saß aufrecht im Sattel und hielt die Zügel ordentlich. Sie beherrschte ihren Wallach, ohne von der Peitsche Gebrauch zu machen. Sie war stark, ihrer zerbrechlichen Erscheinung zum Trotz, und das altmodische, rauchgraue Reitkostüm umschloss ihre Gestalt ganz so, wie er es sich gewünscht hatte.
Am Ende der Zufahrtsstraße hielt sie an und wartete auf ihn. Ohne ihn anzusehen, fragte sie unterkühlt: »War das recht so?«
»Sehr schön.«
Er meinte nicht ihre Reitkünste und aus ihrer sauren Miene konnte man schließen, dass ihr das klar war.
Ach finde, das Reiten von Pferden ist das größte Vergnügen, das man in Kleidern haben kann«, sagte er.
Sie warf ihm einen hitzigen Blick zu, der einen empfindsameren Mann gegrillt hätte.
»Oder vielleicht sollte ich schicklicher sagen – in Schuhen.« Er lachte lauthals über ihre sehr schickliche Entrüstung und bog rechts ab, auf die Straße nach Wesford Village und London. Sie holte auf, damit sie an seiner Seite reiten konnte. Auch das brachte ihn zum Lachen. Sie wollte nicht mit ihm sprechen; soviel wusste er. Aber sie lehnte es ab, hinter ihm zu reiten, selbst wenn es bedeutete, mit seiner verhassten Gesellschaft vorlieb nehmen zu müssen.
Ach, war das eine Frau!
Eine geschlossene Kutsche kam den beiden Reitern entgegen und sie drängten sich auf eine Straßenseite. Wynter runzelte die Stirn, als er das Familienwappen sah, und Charlotte stockte der Atem.
Die Kutsche rollte vorbei – und hielt an.
Verflucht. Was hatte Howard hier zu suchen? Brauchte er Geld? Oder wollte er das Gerede seiner Frau zurechtrücken?
Hatte er diese alte Vettel von Eheweib etwa mitgebracht? Ihre Bemerkungen über Charlotte hatten vor Hass getrieft – war es etwas Persönliches, oder nur weibliche Grausamkeit und der Wunsch, eine Widersacherin fallen zu sehen?
Der Kutschenschlag öffnete sich und Howard streckte den Kopf heraus. »Ruskin«, rief er herzlich. »So ein Zufall, dass ich Sie hier treffe!«
Wynter lenkte sein Pferd zu dem
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