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Rechnung offen

Rechnung offen

Titel: Rechnung offen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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spielen, bis richtige Kinder kamen. Die mit Erwachsenen da waren, die ihnen etwas kauften. Oder beim Spielzeug warteten, bis ihre Eltern in einer anderen Abteilung eingekauft hatten.
    Sie waren die Ersten. Lucas hatte keine Lust, Ultimate Race gegeneinander zu spielen, Ümit war immer schneller.
    »Nur wenn ich bei Extreme Combat anfangen darf«, Ümit verschränkte die Arme.
    Er nickte, »bis du tot bist, danach bin ich dran.«
    Ümit hatte fast den zweiten Level geschafft, sie konnten schon den golden leuchtenden Ball sehen, in den man springen musste, um auf die nächste Ebene zu gelangen, als Enver kam.
    »Ich bin Nächster«, Enver drängte sich an Lucas vorbei.
    »Hau ab, Enver«, Ümit drehte ihnen beiden den Rücken zu und drückte Spiel Fortsetzen . Er versuchte, Enver beiseitezuschieben, Enver steckte die Hände in seine Hosentaschen und machte den Körper steif. Ümit stellte sich so, dass er das Display mit dem Oberkörper abschirmte, und sprang in den goldenen Ball. »Fick dich«, sagte er zu Enver.
    »Du hast mir gar nichts zu sagen, du bist kein richtiger Türke.«
    »Ich muss mal«, Ümit schob den Controller zurück in den Ständer. Unvermittelt schnellte Envers Hand vor, zwischen ihnen durch.
    »Was machst du«, fragte er, Ümit hatte sich bereits umgedreht, Lucas bekam Envers Handgelenk zu fassen, presste seine Fingernägel in weiche Haut, bis Enver schrie.
    »Hey«, einer der Verkäufer bog um die Ecke des Barbie-Gangs, sie rannten alle gleichzeitig los, zur Rolltreppe.
    Lucas schloss die Tür, drehte den Hebel auf besetzt. Der Hebel fühlte sich feucht an, er rieb seine Hand am Hosenbein trocken, war nicht sicher, ob er mit dem Gesicht zur Tür stehen bleiben sollte, drehte sich schließlich um. Ümit hatte die Hose runtergezogen, das T-Shirt hing über seinen Pimmel, setzte sich auf die Toilette, verschränkte die Arme. Lucas lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür und rutschte am Holz hinab, bis er hockte. Die Fliesen waren trocken, dunkle Fußspuren darauf, er ließ sich auf den Hintern fallen, zog die Beine in den Schneidersitz. Hörte, wie etwas ins Wasser plumpste.
    »Hast du meine Kacke gehört?«
    Ümit lachte, Lucas nickte stumm. Roch sie jetzt auch, Ümits Kacke, versuchte, nicht zu atmen, auf seinem Hosenbein war ein Fleck, eine helle Verkrustung.
    »Warte, da kommt noch was«, sagte Ümit.
    Lucas schob einen Fingernagel unter die Verkrustung, sie ließ sich in Placken ablösen, er zerrieb sie zwischen den Fingern zu Pulver, Joghurt vom Schulfrühstück.
    »Sieht aus wie Koks«, Ümit hielt sich ein Nasenloch zu und zog durchs andere Luft ein.
    Lucas lachte, ohne den Mund zu öffnen, so wenig Kackeluft wie möglich hineinlassen in seinen Körper.
    Ümit sah ihn von der Toilette aus an.
    »Wärst du auch mit mir befreundet, wenn die anderen in der Schule dich mögen würden«, fragte er, es platschte erneut.
    »Ja, klar«, still war es, »und du?«
    »Klar«, Ümit wickelte Klopapier von der Rolle, indem er es um seine Hand wand.
    Lucas war sicher, sie logen beide. Ümit wischte sich den Arsch ab, nachdem er gewischt hatte, zog er das Toilettenpapier hervor und betrachtete den braunen Streifen.
    Der Gestank wurde stärker, Lucas drückte sich vom Boden hoch, Spucke sammelte sich in seinem Mund, sein Magen wurde eng, als würde er sich zusammenpressen. Er durfte nicht würgen, wie ein Mädchen, mit Tränen in den Augen, drehte sich um, ohne zu atmen.
    »Ich warte draußen«, er versuchte, die Lippen so gut es ging geschlossen, den Geruch draußen zu halten.
    »Was«, fragte Ümit. »Mach die Tür zu, Ficker«, rief er hinter ihm her.
    ***
    Du arbeitest hinten, arbeitest am liebsten hinten, gut versteckt von der Wand aus Plexiglaskästen. Dort riecht man dich nicht, sagen die anderen. Dort riecht alles weich und süß. Du magst die Wärme, bestückst die Öfen, gibst acht auf die grünen Ziffern in den Displays, sie zählen rückwärts, bis nur noch Nullen übrig sind, die anfangen zu blinken. Dann musst du schnell sein, Hände in die Handschuhe, Klappe auf, Fettbläschen zerplatzen auf den gebräunten Croissants, Laugenbrötchen, Apfeltaschen, sie sinken zusammen, ein wenig nur, hältst das Blech mit beiden Händen waagerecht. Schiebst es in die Schienen des Abkühlregals, ziehst eine neue Bahn Backpapier mit bleichen, eiskristallbesetzten Teiginseln auf ein Blech, die Zeiten weißt du auswendig. Weißt, wie lange welches Gebäck braucht, um auszukühlen, wie du die Bleche halten

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