Rechnung offen
Fernseher auf die Platte, schob, bis er in der Mitte stand und das Kabel spannte.
Er ging in sein Zimmer, zögerte, stand in der Mitte des Raumes, lange stand er dort, schließlich kniete er sich vor das Bett und zog den Karton hervor.
***
Claas war noch immer in der Praxis. »Du kommst«, hatte Theresa gesagt, auf seiner Mailbox.
Er hielt seine Tasse unter die Öffnung, drehte den silber-verschnörkelten Hahn auf, morgens füllte er den frisch gekochten Kaffee in den Samowar. So musste er nicht immer in die Küche, und der Samowar wurde benutzt, er hatte ihn auf das Glastischchen neben den Patientensessel gestellt, hinter die Kleenex-Box. Er wagte nicht, den Stecker in die Dose zu schieben, beigefarben und flach, das Plastik an zwei Stellen gesprungen. Misstraute dem mit schwarz-weißem Stoff umwickelten Kabel. Der silberne Metallknopf saß sehr locker, er hatte ihn probehalber gedrückt, beschlossen, ihn nicht einzuschalten. Am Nachmittag war der Kaffee kalt. Claas nahm einen Schluck, der Zucker löste sich nur langsam auf, bildete eine dünne Schicht auf dem Tassenboden, als er sie mit einem großen Schluck geleert hatte. Die ersten Tage nach der Baumann-Sitzung hatte Theresa versucht ihn zu erreichen, elf Anrufe in Abwesenheit alleine an einem Nachmittag. Sie hatte Nachrichten geschickt, Ruf an! oder Geh ran!. S o unvermittelt damit aufgehört, dass er sich gefragt hatte, ob etwas passiert war, überlegt hatte, zurückzurufen.
Gestern war er in Charlottenburg gewesen, die schmutzige Wäsche wegbringen, war in die Kammer gegangen, hatte den Rucksack ausleeren wollen. Der Haufen vom letzten Mal lag noch immer vor der Maschine, hatte nicht ausgesehen, als hätte er sich verändert, bis auf den Zettel obendrauf: Wasch deine Wäsche gefälligst selber. Wenigstens Unterwäsche und Socken hätte sie in die Maschine stecken können, fand er. Claas hatte den Rucksack umgedreht, so lange geschüttelt, bis er leer war und der Zettel bedeckt, der Haufen reichte ihm bis zu den Knien. Er hatte seine letzten sauberen Hemden aus dem Schrank geholt, die alten Hosen passten ihm wieder, er hatte abgenommen. Socken hatte er noch gefunden, aber keine Shorts, beschlossen, welche zu kaufen. Zum Schluss war er in die Küche gegangen, am obersten Kühlschrankregal hing ein Zettel, mit einem Streifen Gaffa festgeklebt, Wasser musste draufgetropft sein, die Schrift war an mehreren Stellen verwischt: Wage es ja nicht, was zu nehmen. Die halbe Salami hatte er eingepackt, eine Schale blasser Erdbeeren, ein Becher Sahne, den echten Dijon-Senf.
Die Sideboards waren noch immer mit Paketband zugeklebt, zwei parallele Streifen auf jeder Tür. Er musste den Tischler anrufen, neue Angeln anbringen lassen.
***
Theresa war viel zu früh, zog den Mantel aus, nahm das Samtsäckchen aus der Tasche, ehe sie ihn an die Garderobe hängte. Schwer war es, sie hielt es noch in der Hand, als sie sich an den Tisch setzte, der Kellner das Reserviert- Schild wegnahm und den Sherry vor sie stellte. Rund und flach und hart.
Die Uhr hatte im Schaufenster gelegen. Theresa war hungrig gewesen, hatte vor der Vorlesung nichts gegessen, unterwegs angehalten, auf dem Parkstreifen einer der vierspurigen Dahlemer Straßen, Sprühregenpunkte im Laternenlicht. Vor dem Café hatte ein Bistrotisch gestanden, unter einer Markise, in dem roten Plastikaschenbecher schwammen zwei Zigarettenkippen, das Wasser drumherum war bräunlich verfärbt. Sie hatte einen Kaffee geholt, Quarkbällchen, drei Stück ein Euro, Neonröhren hingen an der Decke, die Wand hinter dem Tresen war verspiegelt. Sie hatte sich zusehen müssen, wie sie im Münzfach ihres Portemonnaies suchte, mit geröteter Nase, wunde Flecken auf der Oberlippe. Sie war erkältet, hatte sie nicht mit Make-up abdecken wollen, ihre Augen, ihre Brauen sehr dunkel in fahler Haut, der warme Braunrotton des Rouges hob sich deutlich ab. Hatte zusehen müssen, wie sie umständlich die Handschuhe auszog, um die Geldstücke zu fassen zu kriegen, und dann hatte es nicht gereicht, und sie hatte doch mit einem Schein bezahlt.
Draußen war Theresa an dem Bistrotisch stehen geblieben, der dünnwandige Plastikbecher warm in ihrer Hand, hatte keine Lust gehabt, sich ins Auto zu setzen. Nebenan war ein Antikladen, sie dachte an das Arbeitszimmer, mein Mann wohnt hier nicht mehr.
Die Taschenuhr hatte auf einem dunklen Tuch in der Glasvitrine gelegen. Sie war eigentlich nur näher rangegangen, um sich in der Schaufensterscheibe zu
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