Rechnung offen
betrachten, hatte das Spiegelbild aus der Bäckerei überprüfen wollen. Damit will niemand Sex haben. Wer würde das vögeln wollen, hatte sie gedacht. Hatte die Adern auf der Scheibenhand betrachtet, dick und scharf gezeichnet, hatte versucht, sich anstelle des Bechers einen erigierten Penis in den Fingern vorzustellen, als sie den Verkäufer bemerkte. Er hatte hinter dem Tresen im rückwärtigen Teil des Ladens gesessen, vor ihm hatte eine Zeitung gelegen, er sah Theresa an. Sie hatte hinabgeblickt, in die Auslage, die Taschenuhr war golden, eingeringelt daneben lag eine Kette, Friedrich hatte nicht angerufen, seit er aus Schweden zurück war.
*
Ebba blieb an der roten Ampel stehen, das Restaurant war auf der anderen Straßenseite. Feiern wollten sie, ihren Abschluss. Theresa hatte vorgestern angerufen, gefragt, was los sei. So lange könne es gar nicht dauern. »Eine Zwei«, hatte Ebba schließlich gesagt, »ich habe eine zwei.« – »Glatt«, hatte Theresa gefragt, Freude in der Stimme. Und Staunen. Ebba hatte gezögert, »zwei Komma eins.« – »Aber das ist doch phantastisch«, Theresa hatte sich korrigiert, »vielleicht nicht phantastisch, aber es reicht.«
Theresa wartete bereits, saß am großen Fenster, an dem Tisch, an dem sie Hochzeitstage, Geburtstage, Theresas Habilitation, Ebbas Freischwimmer, ihr Abitur gefeiert hatten. Die Ampel schaltete auf Grün, Ebba überquerte die Straße. Theresa sah nicht auf, mit einer Hand berührte sie den Stiel des Sherryglases vor ihr auf dem Tisch, die andere blätterte in einer aufgeschlagenen Speisekarte. Theresa bestellte immer Aroz com Mariscos und dazu den Hauswein, Claas nahm Bacalhau und Ebba Vitela estufada , geschmortes Rindfleisch, Theresa brauchte keine Karte. Sie legte sie beiseite, als Ebba die Tür öffnete und stehen blieb, die Garderobe war hinten neben den Toiletten.
»Claas kommt direkt aus der Praxis«, sagte Theresa laut durch den Raum, das Restaurant war bis auf einen weiteren Gast leer, der Mann sah sich nach ihnen um. Ebba nickte, zog die Mütze vom Kopf, ihre Haare knisterten elektrisch, sie konnte fühlen, dass einige sich statisch aufgeladen aufrichteten, hielt die Mütze vor sich.
»Ich bring das kurz weg«, sagte sie.
»Du darfst jetzt nicht nachlassen«, sagte Theresa, als Ebba zurückkam, und drückte sie zur Begrüßung an sich.
»Wann wollte Claas denn hier sein?«
»Ruf im Haus Wunderbar an, die kennen dich, vielleicht ist dort was frei.«
»Ich glaub nicht«, sagte Ebba.
»Gibt es keine Abschlussfeier?«
Ebba schüttelte den Kopf, wandte sich um, als sie die Tür hörte, Claas sah zu ihnen herüber, nickte, als Ebba winkte, und ging zur Garderobe.
»Wie geht’s«, fragte er, als er sich setzte.
»Nicht gut. Zu viel überraschender Besuch«, sagte Theresa.
»Was für Besuch«, fragte Ebba.
Claas und Theresa sahen sich über den Tisch hinweg an.
»Frag deinen Vater«, Theresa hob ihr Sherryglas, es berührte bereits ihre Lippen, ehe sie merkte, dass es leer war.
»Was für Besuch?« Ebba sah Claas an.
»Ich wohne nicht mehr zu Hause«, er griff nach der Karte, »woher soll ich wissen, wer zu Besuch kommt?«
Theresa drehte sich nach dem Kellner um, hielt das leere Glas hoch, um anzuzeigen, dass sie noch einen wollte.
»Tu was«, sagte sie unvermittelt.
»Du bist Juristin, tu du doch was«, Claas wandte den Kopf, sah Ebba an, »und wie geht es dir?« Seine Stimme betont freundlich.
»Gut«, sagte Ebba.
»Du hast bestanden, hat deine Mutter auf meine Mailbox gesprochen?«
Ebba nickte.
»Herrgott, ihr lebt im selben Haus«, Theresa sah zu Claas.
»Ebenso wie meine Frau zieht meine Tochter es vor, ein Leben zu führen, das mich gar nichts angeht«, Claas war zufrieden mit seiner Formulierung, lächelte noch, als er in die aufgeschlagene Karte blickte.
»Haben Sie gewählt?« Der Kellner stellte den Sherry vor Theresa, schob das leere Glas beiseite.
»Cola, als Vorspeise Rissois mit Krabben und danach Nummer 103, das geschmorte Rind.«
»Ebba, bitte«, sagte Theresa, sagte es streng.
Der Kellner, er hatte bereits begonnen, die Bestellung zu notieren, blickte auf, nahm die Kugelschreiberspitze wieder vom Block, sah Ebba an und dann verlegen weg.
»Was denn?«
»Bist du sicher, dass du eine Vorspeise brauchst«, Theresa bemühte sich zu lächeln.
»Bei einer 2,1 darf ich ja wohl essen, was ich will«, sie nickte dem Kellner zu, »danke, das war alles.«
»Zeig her«, sagte Theresa, nachdem er gegangen
Weitere Kostenlose Bücher