Rechtsdruck
laut loslachen müssen. So aber schüttelte er nur mit einer Mischung aus gespieltem
Mitleid und tadelndem Naserümpfen den Kopf.
»Wenn Sie mir besser zugehört hätten, müsste ich das nicht wiederholen:
Der Mann liegt im Sterben. Punkt. Vielleicht streifen sich meine Kollegen jetzt
gerade die Handschuhe von den Fingern, weil sie es nicht geschafft haben, sein Herz
noch ein paar Minuten länger am Schlagen zu halten. Über eine Vernehmung nachzudenken,
ist absurd. Absoluter Blödsinn ist das.« Damit drehte er sich um, schlug erbost
auf die Klinke der Tür zu seinem Büro und verschwand darin.
»Huiuiui, der ist aber leicht reizbar«, murmelte Lenz.
»Das walte Hugo. Was er allerdings nicht weiß ist, dass mit Kemal Bilgins
Tod unser Hauptverdächtiger in einem Mordfall sterben würde, was wir auf gar keinen
Fall goutieren können.«
Sein Boss sah ihn schräg an. »Jetzt muss ich mir aber Sorgen machen,
dass du zum Zyniker mutierst, was?«
»Schon möglich«, erwiderte Hain und strebte Richtung Ausgang. »Aber
irgendwie sagen mir mein rechtes Ei und mein siebter Sinn, dass an der ganzen Geschichte
irgendetwas nicht stimmt. Irgendwas ist faul daran.«
Lenz, der ihm langsam folgte, legte die Stirn in Falten. »Und was genau
sagen dir dein rechtes Ei und dein siebter Sinn? Dass es jemand anderes war? Und
warum ist er dann zuerst vor uns und danach vor den Kollegen im Streifenwagen abgehauen?«
Hain stöhnte auf. »Das weiß ich nicht, Paul. Es erscheint alles so
einfach. Zu einfach, wenn du mich fragst. Wir haben die drei Toten, und wir haben
als Verdächtigen den Sohn, der zu allem Unglück nach einer blöden Flucht auch noch
im Sterben liegt. Irgendwie merkwürdig, das alles.«
Lenz dachte ein paar Sekunden nach. »Es ist natürlich überhaupt nicht
klar, dass er der Täter ist, allerdings haben wir im Augenblick keinen, der mehr
dafür infrage kommen würde.«
»Und das Motiv?«, gab Hain zurück.
»Immerhin gab es diesen Streit mit seinem Vater. Einen heftigen Streit.«
»Aber, wie du schon sagst, betraf das ausschließlich seinen Vater.
Warum also sollte er seine Mutter und den kleinen Bruder gleich mit umgebracht haben?
Das ergibt für mich absolut keinen Sinn.«
19
Frank Weiler drückte so fest auf den roten Knopf an seinem Mobiltelefon,
dass die Stelle am Finger schmerzte.
»Verdammte Scheiße«, murmelte er, und schleuderte das kleine Gerät
auf den Tisch, sodass sich der Deckel des Akkufachs löste und im hohen Bogen davonflog.
Wutschnaubend bückte er sich, klaubte das Plastikteil vom Boden auf und schob es
in seine angestammte Position zurück. Hastig drehte er das Telefon um, überzeugte
sich durch einen kurzen Blick, dass es keinen Schaden genommen hatte, und drückte
eine der Schnellwahltasten.
»Ich bin’s. Es gibt ein Problem.«
»Ja?«, kam es aus dem kleinen Lautsprecher zurück. »Was für ein Problem?«
»Können wir uns sehen?«
Eine kurze Pause.
»In einer halben Stunde. Bis gleich.«
Weiler legte das Mobiltelefon auf den Tisch, sah auf die Uhr an seinem
rechten Handgelenk, ging Richtung Bad und stand eine Minute später unter der Dusche.
Nachdem er sich gewaschen hatte, rasierte er sich, putzte seine Zähne und zog sich
an. Genau 29 Minuten, nachdem er das Telefonat beendet hatte, betrat er das kleine
Café in Wilhelmshöhe. Sein Gesprächspartner saß bereits an einem der Tische am hinteren
Ende des schlauchförmigen Lokals, weit weg von der Theke, hielt eine Ausgabe der
Lokalzeitung in der Hand, und lächelte ihn vielsagend an. Weiler setzte sich, bestellte
bei der Bedienung einen doppelten Espresso, und holte tief Luft, doch der Mann am
Tisch war schneller.
»Der Kaffee hier ist immer wieder ein Genuss«, begann Justus Gebauer,
und legte dabei die Zeitung zur Seite.
Weiler sah ihn irritiert an. »Ja, das mag sein. Aber …« Er stockte,
weil Gebauer den Arm gehoben hatte.
»Nun komm doch erstmal zur Ruhe, Frankie. Komm ein bisschen runter,
trink deinen Espresso, atme tief durch, und du wirst sehen, dass alles gut wird.«
Weiler glaubte, nicht richtig zu hören. »Justus, du hast ja keine Ahnung!
Dieses verdammte Krankenhaus …«
Wieder wurde er von einer Geste seines Gegenübers unterbrochen, der
ihn weiterhin völlig entspannt anblickte.
»Das Krankenhaus versucht, den Tod von Schmitt zu vertuschen. Ich weiß.«
Nun wirkte Weiler geradezu schockiert. »Was, warum?«, versuchte er,
seine völlige Verunsicherung in Worte zu fassen.
»Ich habe gerade mit einem
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