Rechtsdruck
daraus
resultierenden Strafbefehl, was für den Juristen Justus Gebauer wegen seiner Vorstrafe
aufgrund der Verurteilung im Fall Bärsch den endgültigen gesellschaftlichen und
beruflichen K. o. bedeuten würde. Und er, Ewald Limbourg, hätte ihm den entscheidenden
Schlag versetzt.
Du verdammter Idiot, dachte er noch einmal. Hättest du nicht einfach
auf diese Frau warten und ihr einen oder zwei Scheine in die Hand drücken können?
Damit wäre die Sache erledigt gewesen. Weil du das nicht für nötig befunden hast,
bist du jetzt erledigt.
Es klopfte an der Tür. Limbourg klappte die Akte zu und legte sie zur
Seite.
»Ja, bitte«, wollte er rufen, doch noch während er Luft holte, wurde
die Tür in den Raum geschoben und das solariumsgegerbte Gesicht seines Chefs Franz
Marnet sichtbar.
»Guten Morgen, Herr Marnet«, begrüßte Limbourg den Oberstaatsanwalt.
»Morgen, Limbourg«, kam die knappe Erwiderung. Danach kreiste Marnets
Blick suchend über den Schreibtisch und wurde sehr schnell fündig. »Ist das die
Akte Gebauer?«
»Ja, äh, ich bin noch nicht dazu gekommen, weil …«
»Lassen Sie das Gestottere«, wurde der junge Jurist hinter dem Schreibtisch
von seinem Boss barsch unterbrochen, »und sagen Sie mir, wann endlich und wie die
Sache weitergehen soll.«
»Nun ja …«, erwiderte Limbourg, der sich nicht unwohler hätte fühlen
können.
»Ja?«, fragte Marnet zurück, und jeder Buchstabe klang für den Mann
am Schreibtisch dabei wie das Horngerassel einer Klapperschlange.
»Es gibt noch ein paar Dinge zu überlegen, bevor ich die Sache abschließend
beurteilen kann. Aber spätestens nächste Woche sollte ich so weit sein.«
Marnet gab ihm mit seiner unwirschen Miene zu verstehen, dass diese
Antwort ihn keinesfalls erfreute. »Nein, nein, so geht das nicht, Limbourg. Wenn
eine einfache Fahrerflucht Sie schon überfordert, wie soll ich Ihnen dann weitere,
am Ende viel kompliziertere Fälle übertragen? Wie soll das gehen?«
»Aber Herr Marnet, die Sache ist wirklich nicht so ein …«
Wieder wurde er von dem Oberstaatsanwalt unterbrochen, diesmal jedoch
mit einer einfachen Handbewegung und ein wenig sanfter. »Sie müssen sich nicht rechtfertigen,
bitte. Ich weiß, dass wir hier in der Abteilung alle an der Grenze unserer Leistungsfähigkeit
ackern, um die ganzen Fälle bearbeiten zu können.«
Der plötzliche Stimmungswechsel seines Chefs ließ bei Limbourg alle
Alarmglocken schrillen.
»Aber es muss auch klar sein, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich
sind, egal, welcher Partei sie auch angehören. Und es sollte natürlich auch egal
sein, ob ein Parteifreund den Fall bearbeitet oder ein anderer, möglicherweise weniger
subjektiver Kollege. Aber das alles muss ich Ihnen doch sicher nicht explizit darlegen,
Herr Kollege.«
Limbourg schluckte. »Nein. Herr Marnet, das müssen Sie nicht.«
»Gut. Dann ist das ja zur Zufriedenheit aller Beteiligten geklärt«,
gab der Oberstaatsanwalt zurück und schloss ohne irgendeinen Gruß oder ein weiteres
Wort die Tür von außen.
Justus Gebauer. Es hatte Zeiten gegeben, da horchte Eduard Limbourg
bewundernd auf, wenn dieser Name genannt wurde. Gebauer eilte der Ruf voraus, ein
veritabler Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten zu sein. Später, wenn
… Ja, es hätte vielleicht so kommen können, es wäre sogar mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit so weit gekommen, wenn er nicht diesen Behinderten geschlagen
hätte.
Limbourg hatte seine politischen Überzeugungen sozusagen seit Kindesbeinen
von seinem Vater, einem angesehenen Juristen und langjährigen Mitglied der Partei,
vorgelebt bekommen. Er hatte schon in den Jahren an der Universität begriffen, dass
die Vernetzung in dieser politischen Gruppierung sein Leben und seinen beruflichen
Werdegang signifikant bestimmen würden, wenn er sich an die in diesen Kreisen gültigen,
oftmals unausgesprochenen Spielregeln halten würde. Weil er das tat, öffneten sich
für ihn, obwohl nicht mit besonderen intellektuellen Fähigkeiten ausgestattet, viele
Türen, die anderen jungen Männern seines Alters stets verschlossen blieben. Lange
war es die feste Überzeugung seines Vaters gewesen, dass aus dem Knaben, der bis
zum Ende der Pubertät brauchte, um über den Unfalltod seiner Mutter im Alter von
acht Jahren hinwegzukommen, nichts werden würde. Doch aus Ewald Limbourg wurde ein
Abiturient, ein Student, und nach dem Studium ein Jurist, allerdings alles auf bescheidenem
Niveau. Den
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