Rechtsdruck
Pressestelle der Staatsanwaltschaft weiterleiten. Wir haben nicht
nur einen Täter aufs Auge, sondern auch einen Maulkorb verpasst bekommen.«
Hains Telefon meldete sich. Der Oberkommissar griff danach und sah
aufs Display.
»Ludger.«
Lenz nickte. »Wie nicht anders zu erwarten«, nuschelte er. »Gib her.«
Hain reichte ihm das kleine Mobiltelefon.
»Hallo, Ludger, hier ist Paul.«
»Was fällt dir ein? Bist du noch zu retten, mich einfach wegzudrücken
und danach dein Telefon auszuschalten? Willst du wirklich diese Konfrontation mit
mir?«
»Nein«, gab Lenz kurz angebunden zurück.
»Dann hör auf mit diesem Unsinn, Paul. Ich würde mir, genau wie du,
manchmal wünschen, völlig losgelöst von anderen Menschen meine Entscheidungen treffen
zu können, aber das klappt leider nicht. Und dieses Dilemma kennst du genauso gut
wie ich. Also, sei vernünftig und mach keinen Ärger.«
Lenz holte tief Luft. »Heißt das, wir sollen unsere weiteren Ermittlungen
einstellen?«
»Das heißt es, ja. Wenn der Türke wieder aufwacht, was nicht zu erwarten
ist, legt er hoffentlich ein Geständnis ab. Wenn er stirbt, was viel wahrscheinlicher
ist, kräht sowieso kein Hahn mehr nach der Sache. Es gibt die Tat, es gibt den Täter,
der leider verstorben ist, und basta.«
»Gut«, presste Lenz nach einer kurzen Pause hervor. »Bleibt nur die
Frage von eben, Ludger. Wie weit nach oben reicht die Einflussnahme? Wie weit oben
ist der Wunsch angesiedelt, Kemal Bilgin möge der Täter sein?«
Der Hauptkommissar konnte das Schlucken seines Chefs deutlich hören,
bevor der antwortete. »Ziemlich weit oben, Paul.«
*
»Das ist doch mal ein Grund, den Job auf der Stelle hinzuschmeißen«,
sinnierte Lenz mit einem Blick auf die teilweise zugefrorene Fulda.
»Nun krieg mal keinen Koller«, mahnte Thilo Hain und nippte an dem
mit etwas Ähnlichem wie Kaffee gefüllten Plastikbecher in seiner Hand. »Wir haben
es immer wieder mit Dingen zu tun, die wir nicht mögen, genauso wie wir es mit Menschen
zu tun haben, die uns nicht mögen. Daraus etwas zu konstruieren, weswegen man den
Job hinschmeißen könnte, kannst du jeden Tag haben.«
»Ich weiß«, gab Lenz müde zurück und sah dabei auf seine Armbanduhr.
»Es ist 13:15, und wir machen jetzt Dienst nach Vorschrift. Ich setz mich in die
Straßenbahn und fahr heim. Der Mörder ist gefasst, alle sind zufrieden, und wir
kommen noch zu etwas Schlaf. Wenn das kein erfolgreicher Tag ist.«
»Du wirst doch noch zynisch auf deine alten Tage«, nahm Hain das Thema
von vor ein paar Stunden wieder auf.
»Von mir aus, für heute ist es mir egal.« Damit wandte er sich ab und
setzte sich in Bewegung. Im Gehen sah er noch einmal zurück. »Wenn du Lust hast,
kannst du Ludger anrufen und ihn davon unterrichten, dass wir acht Stunden im Dienst
waren und jetzt Feierabend machen.«
»He, Paul«, rief Hain ihm hinterher, »muss ich mir Sorgen um dich machen?«
Lenz antwortete nicht, sondern schüttelte nur leicht den Kopf.
»Na denn«, murmelte der Oberkommissar, und machte sich auf den Weg
zu seinem Wagen.
21
»Ich weiß, dass ich meiner Partei in den letzten Jahren nicht ausschließlich
Freude gemacht habe, und ich weiß ebenso gut, dass ich mir in meiner Partei auch
nicht immer nur Freunde gemacht habe«, antwortete Justus Gebauer auf die Frage des
Chefredakteurs der Lokalzeitung nach seinen weiteren politischen Plänen.
Das Interview, wegen dem sich die beiden seit Langem befreundeten Männer
im Gebäude der Zeitung getroffen hatten, war vor ein paar Tagen vereinbart worden.
Gebauer hatte den Zeitungsmann darum gebeten, der überaus gerne zugestimmt hatte.
Justus Gebauer war immer für eine Schlagzeile gut, das wusste der Chefredakteur
nur zu genau. Auszüge der Fragerunde sollten am nächsten Tag in der Printausgabe
veröffentlicht werden, das komplette Gespräch würde es im Online-Portal des Blattes
als Video zu sehen geben. Deswegen waren auch ein paar Techniker anwesend, die sich
jedoch dezent im Hintergrund hielten.
»Und trotzdem bin ich der Meinung, dass jeder Mensch eine zweite Chance
verdient hat. Oder, besser gesagt, dass jeder Mensch diese zweite Chance bekommen
sollte. Ich habe einen Fehler gemacht, für den ich sehr hart bestraft wurde, den
ich büßen musste, und den ich zutiefst bereue. Aber ich möchte nicht, dass damit
mein gesamtes politisches Wirken in Zusammenhang gebracht wird.« Nun zählte Gebauer
einige der Dinge auf, die das Land seiner Meinung nach
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