Rechtsdruck
Freund telefoniert, einem Staatsanwalt,
und der hat mir versichert, dass es im Klinikum Kassel keinen ungeklärten Todesfall
gibt. Geschweige denn, ein Gewaltverbrechen.«
»Und was soll das Ganze? Die können doch nicht …«
»Doch«, wurde der Geschäftsmann wieder von Gebauer unterbrochen, »das
können die, und zwar richtig gut. Totenschein ausstellen, natürliche Todesursache
bestätigen, und Feierabend. Und glaub mir, die sind sicher, dass ihnen nichts passieren
kann. Gar nichts.«
Nun hatte Weiler nichts mehr zu entgegnen. Gebauer griff nach seinem
Arm und legte die Hand beruhigend auf den teuren Stoff des Anzugs.
»Ganz entspannt, Frankie, die Sache ist schon angelaufen. Es gab da
einen anonymen Hinweis, dem die Polizei auf Anweisung der Staatsanwaltschaft nachgeht.
Wahrscheinlich«, er blickte auf die Uhr an seinem Handgelenk, »müssen sich die Ärzte
der Abteilung, in der Schmitt ums Leben gekommen ist, just in diesen Minuten ein
paar überaus unangenehmen Fragen stellen. Und sei versichert, dass der Leichnam
dieses Blödmannes noch heute obduziert werden wird. Und dann läuft alles wieder
genau nach Plan.«
Erneut huschte ein Lächeln über sein Gesicht. »Du glaubst nicht, was
es sonst noch für gute Nachrichten gibt.« Während er sprach, hatte er die Fäuste
geballt und sich damit voller Freude gegen die Brust geschlagen.
»Jetzt machst du mich aber wirklich neugierig, Justus«, erwiderte Weiler
völlig entnervt.
»Die Familie dieses gottverdammten Türken ist letzte Nacht massakriert
worden. Sein Vater, seine Mutter und sein Bruder. Ich weiß noch nicht alles, aber
es klingt wie ein Geschenk des Himmels, was da passiert ist.«
»Moment, Moment«, dämpfte Weiler Gebauers Enthusiasmus. »Du willst
mir doch nicht im Ernst erklären, dass dieser Dreifachmord von letzter Nacht etwas
mit unserem Bilgin zu tun hat? Das kann unmöglich sein!«
Der Rechtsanwalt auf der anderen Seite des Tisches hob die Augenbrauen
und strahlte dabei über das ganze Gesicht. »Doch, Frank, genau das will ich dir
erklären. Und das ist bei Weitem nicht alles, es kommt nämlich noch viel besser.
Laut meinem Spezl bei der Staatsanwaltschaft ist Kemal Bilgin dringend tatverdächtig
und obendrein auf der Flucht.«
Er fuchtelte mit den Händen in der Luft herum, wie er es auch bei seinen
Auftritten vor Gericht gerne tat. »Unser kleiner Türke, den wir um jeden Preis hinhängen
wollten, hat letzte Nacht einen Teil seiner Familie umgebracht.«
Weiler schluckte und wollte etwas erwidern, wurde jedoch vom Auftauchen
der Bedienung gebremst, die mit einem zuvorkommenden Nicken den Espresso vor ihm
abstellte.
»Tut mir leid, dass es etwas länger gedauert hat, aber es gab ein kleines
Problem mit der Kaffeemaschine«, erklärte sie freundlich.
»Macht nichts«, gab Weiler kurz angebunden zurück und bedeutete ihr
mit einer Handbewegung, dass ihre Anwesenheit nicht länger erwünscht war.
»Lassen Sie ihn sich trotzdem schmecken.«
Wenn das Verhalten des Gastes sie verärgert hatte, so ließ sie es sich
zumindest nicht anmerken und verließ, noch immer freundlich dreinblickend, die Nische,
in der die beiden Männer sich niedergelassen hatten. Weiler wartete, bis die junge
Frau außer Hörweite war, bevor er weitersprach.
»Das kann doch gar nicht sein, Justus, solche Zufälle gibt es nicht;
die kann es einfach nicht geben. Es ist nie und nimmer vorstellbar, dass der Typ
in der gleichen Nacht, in der wir diesen Zinnober seinetwegen veranstalten, seine
Familie um die Ecke bringt. Da stimmt irgendetwas nicht.«
Gebauer winkte ab. »Jetzt komm mal wieder auf den Teppich und verschon
mich mit deinen Verschwörungstheorien. Jeder kleine Polizist in der Stadt sucht
nach ihm, glaub mir einfach. Und wenn sie ihn erwischt haben, kriegt er die Sache
mit dem Nazi noch obendrauf gehauen. Denk doch mal nach, Frankie, etwas Besseres
konnte uns doch überhaupt nicht passieren.«
Nun wurde Weiler tatsächlich etwas ruhiger. »Und es ist wirklich so,
dass seine Eltern und sein Bruder hopsgegangen sind?«
»Ja, die Sache ist völlig eindeutig. Die drei wurden in ihrer Wohnung
erschossen. Und es ist ebenso eindeutig, dass sich Kemal Bilgin und sein Vater am
Nachmittag ganz ordentlich gefetzt haben, dafür gibt es eine Zeugin. Jetzt muss
die Exekutive den Kerl nur noch schnappen, und die Sache läuft.«
Weiler schloss die Augen und fing an zu grinsen. »Und wir machen uns
solche Umstände mit dem Neonazi …«
»Das stimmt, Frankie, aber
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